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Zur Beurteilung der Situation

6. Juli 1954
Informationsdienst Nr. 2253 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Über politische Tagesfragen wird nur wenig diskutiert. Zur Volksbefragung1 werden uns nur vereinzelt Stimmen bekannt, diese sind überwiegend positiv. Teilweise bringt man zum Ausdruck, dass man nicht verstehen kann, dass es in der DDR noch Menschen gibt die für den EVG-Vertrag2 gestimmt haben.

Eine Arbeiterin aus dem VEB Cuwifa Annaberg,3 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »In der Erkenntnis der großen Erfolge des neuen Kurses unserer Regierung4 stimmte ich bei der Volksbefragung für den Abschluss eines Friedensvertrages und den Abzug der Besatzungstruppen.« Ein Magazinarbeiter aus dem VEB Walzlagerwerk Fraureuth, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich kann es gar nicht verstehen, dass es noch Menschen gibt, die für EVG gestimmt haben.«

Ganz vereinzelt wurden uns negative Stimmen zur Volksbefragung bekannt. Ein Arbeiter aus Lößnitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Was nützt bloß so eine Wahl, da werden Tausende von Mark hinausgeschmissen, ohne dass jemand etwas davon hat. Es ist tatsächlich schade um das Geld. Solange keine Wahl über ganz Deutschland durchgeführt wird, ist es zwecklos.«

Eine Arbeiterin aus dem VEB Strick- und Wirkwaren Apolda, [Bezirk] Erfurt: »Die Volksbefragung ist Schwindel, denn es heißt: Für den Friedensvertrag und Abzug der Besatzungstruppen. Demgegenüber werden in Jena Wohnungen für die ›Russen‹ gebaut.«

Ein Straßenbauarbeiter aus Burg, [Bezirk] Magdeburg: »Es ist ja wie bei Hitler. Dass manche Gemeinden 100-prozentig abgestimmt haben, gibt es überhaupt nicht.«

Zum Tag des Bergmannes5 wurden nur ganz vereinzelt positive Diskussionen bekannt, besonders aus Karl-Marx-Stadt. Ein Untertagearbeiter aus dem »Karl-Liebknecht«-Werk Ölsnitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wenn man so sieht, diese Gelder, welche vonseiten der Regierung der DDR für den Kumpel ausgegeben werden, dann kann ich nicht verstehen, dass so viel Tausend Personen bei der Volksbefragung für die EVG gestimmt haben.«

Ein Bergarbeiter aus dem »August-Bebel«-Werk in Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt6 (parteilos): »Zum 5. Male haben wir den ›Tag des Bergmannes‹ gefeiert. Aber dieses Jahr war es ein richtiges Volksfest, denn das, was uns geboten wurde, ist unbeschreiblich. Die HO-Stände waren voll Konsumgüter, was sonst in den Geschäften nicht geboten wird. Die Veranstaltungen im Klubhaus am Nachmittag konnte sich früher ein Kumpel nicht leisten. Heute wird den Kumpeln alles kostenlos geboten. Mein innigster Wunsch ist es, im nächsten Jahr den ›Tag des Bergmannes‹ in ganz Deutschland zu feiern.«

Aus einigen Bezirken wird uns berichtet, dass die Arbeiter die Presse und den Rundfunk kritisieren, weil er bei den Fußballweltmeisterschaften die westdeutschen Spiele teilweise nicht im Rundfunk übertragen hat und auch in der Presse nicht ausführlich darüber berichtet wurde.7

Zwei Kollegen aus dem IFA-Schlepperwerk in Magdeburg8 äußerten: »Wir sind Deutsche und freuen uns, dass Westdeutschland so gut abgeschnitten hat. Aber wenn man immer schreibt, Deutsche aus Ost und West an einen Tisch – Sportler aus Ost und West, bildet die Brücke der Verständigung –, dann hat man für die westdeutschen Sportler keine vier Zeilen in der Presse übrig? Dieses ist sehr schlecht, denn unsere Presse wird auch in Westdeutschland gelesen.«

Ein Sportwart aus dem VEB Gubener Wolle, [Bezirk] Cottbus: »Ich kann gar nicht mehr durch den Betrieb gehen, da ich nicht weiß, was ich den Kollegen antworten soll, da der größte Teil der in der Weberei beschäftigten Kollegen mit den Übertragungen unserer Sportreporter nicht einverstanden war. Ihrer Meinung nach hätten sie nur die ungarische Mannschaft berücksichtigt und die Leistungen der anderen nicht aufgezeigt.9 Ich bin ja auch der Meinung, dass man so den gesamtdeutschen Sport nicht fördern kann. Was wir vor der Volksbefragung gutgemacht haben, ist jetzt wieder zerschlagen worden.«

Produktionsschwierigkeiten entstanden in einigen Betrieben wegen Material- und Arbeitskräftemangel.

Im VEB Waggonbau Bautzen, [Bezirk] Dresden, wurde der Produktionsplan des II. Quartales nur mit 65,0 Prozent erfüllt. Die Ursachen liegen in Konstruktionsveränderungen und Materialschwierigkeiten (schleppende Belieferung durch die Zubringerbetriebe). Außerdem verursachten die Stromsperren einen Arbeitsausfall von 425 Stunden.

Im VEB Lausitzer Kofferwerke Neukirch, [Bezirk] Dresden, fehlt es laufend an Material für die Kofferproduktion (Griffe, Schlösser, Holz- und Kofferschienen). Alle Bemühungen der Betriebsleitung, eine bessere Belieferung zu erreichen, blieben bisher erfolglos. Wenn das benötigte Material nicht bald eintrifft, muss die Kofferproduktion eingestellt werden.

In der Schuhfabrik, VEB »Gesundheitsschuh« Weißenfels, [Bezirk] Halle, fehlt es an Verpackungsmaterial und Fahrzeugen, sodass die Schuhe nicht zum Versand gebracht werden können.

Im RAW Greifswald, [Bezirk] Rostock, fehlt es an Holz. Das RAW sah sich gezwungen, Tischler an eine andere Firma leihweise abzugeben. Durch diesen Missstand ist eine schlechte Stimmung unter der Belegschaft.

In dem Ziegel- und Tonwerk Grimmen, [Bezirk] Rostock, wurden in der letzten Zeit ca. 15 000 Steine produziert, welche im gebrannten Zustand auseinanderfielen, weil der Prozentsatz an Kalk zu hoch war.

Der VEB Funkwerk Köpenick, [Bezirk] Berlin, soll im Zuge der Herstellung von Massenbedarfsgütern 22 000 Kaffeemühlen mit Schwingmotor herstellen. Dazu werden 40 t Dynamoblech und 22 000 m zweiadriges Gummikabel benötigt. Da 60 t Dynamoblech dringend vom Sachsenwerk Radeberg für einen Exportauftrag benötigt werden, besteht keine Aussicht für das Funkwerk in Köpenick, diese benötigten Materialien, welche einen Engpass darstellen, zu bekommen. Dadurch kann mit der Produktion der Kaffeemühlen nicht begonnen werden.

Auf der Elbewerft Boizenburg, [Bezirk] Schwerin, machen sich seit einigen Tagen wieder Produktionsausfälle wegen Mangel an Material bemerkbar.

Der VEB Nähmaschinenfabrik Wittenberge benötigt dringend 300 Arbeitskräfte. Des Weiteren fehlt es dort an Stab- und Automatenstahl.

Handel und Versorgung

Verschiedentlich wird in den Bezirken über eine schlechte Warenbereitstellung geklagt. Zum Beispiel fehlt es im gesamten Bezirk Rostock an Stärkeerzeugnissen (Maizena), im Kreis Bützow, [Bezirk] Schwerin, an HO-Fleisch, Bohnenkaffee, Stärkeerzeugnissen und Fischwaren, im Kreis Perleberg, [Bezirk] Schwerin, besteht eine große Nachfrage nach Salzheringen.

Im Kreis Köthen, [Bezirk] Halle, mangelt es an Bohnen- und Malzkaffee, Kakao, Vanillepudding, Hülsenfrüchten, Teigwaren, Tee und Fischkonserven. (Diese Artikel fehlen teilweise schon monatelang.)

Über einen Mangel an Zigaretten (billige Sorten) berichten die Bezirke Halle, Magdeburg, Neubrandenburg und Schwerin.

Dem VEB Schlachthof Dresden wurden insgesamt 52 332 Dosen verdorbene Fischkonserven zur Vernichtung angeliefert. Beim Fischwirtschafts-Auslieferungslager Dresden lagern ca. 120 t Fischkonserven. Eine Untersuchung der Abteilung Hygiene ergab, dass 100 t davon unbedingt in den nächsten vier Wochen zu verbrauchen sind. Da im Handel genügend vorrätig sind, besteht die Gefahr des Verderbens.

Im Schlachthof Bützow, [Bezirk] Schwerin, lagern 3 t Schmalz, der keinen Absatz findet, da aus der Staatsreserve welcher zum Verkauf gelangt. Bei der DHZ Boizenburg, [Bezirk] Schwerin, lagern 2 t Schokoladenerzeugnisse, die sobald als möglich abgesetzt werden müssen, da sie sonst verderben.

Aufgrund der Klagen der Bevölkerung, dass der Privathandel ein besseres und reichhaltigeres Angebot an Gemüse als der Konsum hat, wandte sich der Konsumverband Groß-Berlin an den Magistrat mit der Bitte, Maßnahmen einzuleiten, um diesen Zustand abzuändern. Seitdem sind vier Wochen vergangen und eine Antwort ist noch nicht erfolgt.

Landwirtschaft

Nach wie vor ist zu verzeichnen, dass unter der Landbevölkerung wenig zu politischen Tagesfragen Stellung genommen wird. Über die Volksbefragung wird kaum noch gesprochen. Eine Großbäuerin aus Leps, [Bezirk] Magdeburg, ist der Meinung, dass auf dem Lande deshalb Einzelne für den EVG-Vertrag gestimmt haben, weil das Soll zu hoch wäre und weil man manch einen Bauer von seinem Grund und Boden vertrieben hat.10

Ein Großbauer aus Vieritz, [Bezirk] Magdeburg,11 äußerte: »Hätte man die Leute, welche man am 17. Juni [1953] eingesperrt hat, freigelassen, so hätten wir auch anders gestimmt.«12

Nachfolgend einige Beispiele über wirtschaftliche Fragen, über die teilweise Verärgerung und Missstimmung herrscht.

Im Kreis Salzwedel, [Bezirk] Magdeburg, werden über die Abschaffung der Kartoffelkarten bei Landbesitzern bis zu 3 ha Anbaufläche negative Diskussionen geführt.13 So sagte zum Beispiel ein Bauer: »Es hat keinen Zweck mehr, Kartoffeln anzubauen, dass Beste wird sein, wir geben unser Land ab.« (Die SED-Kreisleitung Salzwedel erhielt zwei anonyme Briefe, in denen das Kartoffelkartensystem angeprangert wird.)14

Im BHG-Bereich Wurzbach, [Bezirk] Gera, sind die Bauern missgestimmt, weil jetzt, wo es nicht mehr so dringend gebraucht wird, Futtermittel in großen Mengen geliefert wird. So erhielt zum Beispiel die BHG 30 t Kleie und zwei Waggons Futterroggen. Dazu äußerte ein Bauer: »Ob es nicht möglich war, diese Futtermittel im April/Mai zu liefern, wo größte Futterknappheit bestand, anstatt jetzt, wo eine spürbare Besserung durch die Grünfütterung eingetreten ist.«15

Verschiedenen Bauern der Gemeinde Hennersdorf, [Bezirk] Dresden, wurde durch die BHG Gersdorf anstatt Raps Kohlrübensamen geliefert, was von den Bauern nicht rechtzeitig bemerkt wurde. Die Bauern äußern nun Bedenken wegen der Erfüllung des Ölsaatsolles.16

Im Kreis Freital, [Bezirk] Dresden, ist ein starker Rückgang in der Ferkelaufzucht zu verzeichnen. Zum Beispiel wurden im Juni 1953 1 408 und im Juni 1954 nur 741 Verträge abgeschlossen. Der Grund dafür ist, dass die Bauern für die Aufzucht keine zusätzlichen Futtermittel erhalten.17

Im Kreis Perleberg, [Bezirk] Schwerin, treten in der Erfassung des Heus Schwierigkeiten insofern auf, weil die Bauern der Meinung sind, wenn sie das Heu abgeben müssen, dass sie dann nichts zu füttern haben und sie bringen zum Ausdruck, dass man da auch gleich ihr Vieh mitnehmen kann.18

Nur vereinzelt wurden negative bzw. feindliche Stimmen bekannt. In einer Versammlung in der Gemeinde Galenbeck, [Bezirk] Neubrandenburg, äußerte ein Bauer: »Den Krieg gegen Russland hätten wir nicht verloren, denn die deutsche Wehrmacht ist gut gewesen. Nur die Offiziere machten nicht mehr mit, weil Hitler von ihnen verlangte, den Nazigruß anzuwenden, das war falsch.« Ein werktätiger Bauer aus der gleichen Gemeinde: »Bist du in Russland gewesen? Ich war dort und habe gesehen, wie die Menschen dort leben. Die mussten ja zur Front und vorwärts stürmen, weil die politischen Kommissare mit der Pistole hinter ihnen standen.«19

Übrige Bevölkerung

Über politische Probleme wurden nur einzelne Stimmen bekannt, worin, wie am Vortage zur Volksbefragung, Stellung genommen wurde. Verschiedentlich wird von Handwerkern bemängelt, dass die Materiallieferungen nachgelassen haben und sie dadurch den Bedarf der Bevölkerung nicht decken können. Dazu folgendes charakteristisches Beispiel: Ein Sattlermeister aus Frohnsdorf,20 [Kreis] Alteburg,21 [Bezirk] Leipzig: »Ich sehe vollkommen ein, dass der Frieden von der Einheit Deutschlands abhängt und dass sich vor allem die DDR für die Einheit einsetzt. Ich kann aber nicht verstehen, dass wir in letzter Zeit immer weniger Materiallieferungen bekommen. Ich kann viele Aufträge deswegen nicht ausführen, weil ich zu wenig Material erhalte.«

Die Diskussionen über den Mangel an Verpackungsmaterial in den Kreisen der Glasindustrie des Bezirkes Suhl unter den Handwerkern halten weiterhin an. In den einzelnen Stellungnahmen kommt oft zum Ausdruck, dass wir aus der DDR Pappe nach Westdeutschland liefern und diese in Neustadt bei Coburg gestapelt wird, während sie nicht wissen, wie sie ihre Waren verpacken sollen.

Aufgrund der Durchführungsbestimmung,22 dass nur Lehrlinge, die aus der 8. Klasse der Grundschule entlassen wurden, in einen Handwerkszweig aufgenommen werden dürfen, ist zurzeit noch ein hoher Prozentsatz der Lehrstellen im Handwerk im Bezirk Suhl unbesetzt. Verschiedene Handwerkszweige haben keinen Nachwuchs. Das ist besonders im Büchsenhandwerk sowie im Schmiedehandwerk der Fall.

Der Bürgermeister aus Reinberg, Kreis Grimmen, [Bezirk] Rostock, berichtet, dass der Gemeinde 33 000 DM für Reparaturen der gemeindeeigenen Häuser zur Verfügung stehen. Er sieht sich jedoch gezwungen, das Geld verfallen zu lassen, da er keine Handwerker bekommt. Er sagte, dass es kein Wunder sei, wenn die Bevölkerung sich beklagt, dass der Bau von Wohnungen zurückgeht.

In den Randgebieten von Berlin gibt es große Beunruhigung und Unzufriedenheit darüber, dass die Kleingärtner, die mehr als 300 qm Kartoffeln angebaut haben, von der Kartoffelzuteilung ausgeschlossen sind.

In der Gemeinde Zierow, [Bezirk] Rostock, herrscht unter den Bauern sehr schlechte Stimmung, da die Versorgung mit Brot völlig unzureichend ist. Die örtliche Bäckerei wurde wegen Krankheit geschlossen und die Konsumbäckerei in Binz, die die Belieferung übernehmen wollte, schafft dieses oft nicht, sodass die Gemeinde Zierow oft ohne Brot ist.

In Berlin wurde aufgrund des hohen Standes von Republikfluchten von Ärzten mit zwei Ärzten aus dem Bezirk Pankow eine zwanglose Aussprache durchgeführt. In der Aussprache äußerte sich ein Arzt aus Pankow, Kissingenstraße, dass sich fast alle Ärzte als Angestellte der VAB betrachten.23 Die Verordnung über die Kontrolle von Kranken24 wird als eine große Belastung von den Ärzten angesehen. Befragt, ob über diese Verordnung mit den Ärzten diskutiert wurde, sagte er, dass die Ärzte sich nicht an Diskussionen beteiligen würden, denn gegen Gesetze und Verordnungen kann man nichts machen. Ein anderer Arzt äußerte, dass er sich als Angestellter der VAB fühlt, trotzdem er eine eigene Praxis habe und den Kanal voll hat. Gleichzeitig führte er über die Bezahlung Klage.

Der katholische Pfarrer aus Hoppenwalde, Kreis Ueckermünde, [Bezirk] Neubrandenburg, wollte den katholischen Kindern im Ort Schreibhefte schenken. Da diese Hefte mit Bildern vom Aufbau in der DDR versehen sind, sagte er wörtlich: »Ich wünsche nicht, dass diese Hefte, die ich den Kindern schenken will, mit Reklamebildern versehen sind.«

Ein Junger Pionier aus Wittenhof, Kreis Prenzlau, [Bezirk] Neubrandenburg, wurde vom Lehrer aus Wittendorf abgehalten, in die FDJ einzutreten. Er drohte ihm, ein schlechtes Abschlusszeugnis zu geben, welches auch geschehen ist.

Organisierte Feindtätigkeit

Hetzschriftenverteilung

SPD-Ostbüro:25 Cottbus 5 150, Neubrandenburg 50, Halle 2 000, Erfurt 6 000, Gera 6 920, Karl-Marx-Stadt 270, Dresden 50.

NTS:26 Halle 120, Dresden 3.

FDP: Halle 5, Gera 4.

»Deutsche der Bundesrepublik«: Karl-Marx-Stadt 184, Dresden 7.

In tschechischer Sprache: Karl-Marx-Stadt 27, Dresden 45.

»Tarantel«:27 Karl-Marx-Stadt 4.

Die Hetzschriften wurden sichergestellt und gelangten nicht in die Hände der Bevölkerung.

Diversion: Im VEB Schönfelder Papierfabrik Annaberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wurde von einem unbekannten Täter mit einem spitzen Gegenstand das Sieb, worüber die flüssige Papiermasse in die Papiermaschine einläuft, zerschnitten. Schaden: ca. 5 000 DM.

Vermutliche Feindtätigkeit: Im VEB Holzverarbeitungswerk Jatznick, Kreis Pasewalk, wurden in der elektrischen Schaltanlage vier Enden Stahldraht gefunden. Durch Bedienung der Schaltung wäre hierdurch ein Kurzschluss entstanden, der einen Großbrand hätte verursachen können (Untersuchungen werden geführt).

Anlage 1 vom 6. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2253

Landwirtschaft

Nachstehend einige Beispiele über Mängel und Schwächen, die verschiedentlich im sozialistischen Sektor der Landwirtschaft zu verzeichnen sind:

Von der MTS

Der MTS-Spezialwerkstatt Grimmen, [Bezirk] Rostock, fehlen Werkzeuge. Dazu äußerte ein Schlosser der MTS-Spezialwerkstatt: »Ich kann nicht verstehen, dass heute noch immer nicht diese einfachen Dinge da sind. Von uns verlangt man, dass wir im Leistungslohn arbeiten sollen, aber auf der anderen Seite haben wir nicht die genügenden Werkzeuge. Ich bin der Meinung, dass hier etwas nicht in Ordnung ist.«28

Der MTS Abtshagen, [Bezirk] Rostock, fehlen dringend für zwei Traktoren RS 15 die Stäubegeräte für die Bekämpfung der Kartoffelkäfer.29

Der MTS Zirkow, [Bezirk] Rostock, fehlen Reifen für die Traktoren, sodass Schwierigkeiten bei der Ernte eintreten können, wenn bis dahin keine Abhilfe geschaffen wird.30

Die MTS Lübzin, [Bezirk] Schwerin, sollte bis zum Abschluss des II. Quartals 13 Schlepperreifen erhalten. Geliefert wurden aber nur drei. Es ist zu verzeichnen, dass Traktoren von Typ »Pionier« ohne Reifen dastehen.31

Die MTS Roggendorf, [Bezirk] Schwerin, benötigt Ersatzteile. Aus diesem Grunde steht schon ein »Maulwurf«32 wegen Betriebsschadens 14 Tage still.

Von den LPG

Die LPG im Kreis Stralsund benötigen dringend für den immer größer werdenden Viehbestand Viehstallungen. Sollten die Bauarbeiten nicht bald in Angriff genommen werden, muss ein Teil des Viehbestandes im Winter im Freien untergebracht werden.33

In einigen LPG im Kreise Ilmenau, [Bezirk] Suhl, herrscht eine schlechte Stimmung unter den Mitgliedern über die ungenügende Belieferung mit Ferkeln. Insgesamt fehlen für die Planerfüllung 500 Stück, z. B. hat die LPG Gehren ein Soll von 170 Schweinen, vorhanden sind nur 30 Läuferschweine. Dazu äußerte ein Genossenschaftsbauer: »Auf der einen Seite kämpfen wir für die Erfüllung unseres Planes und wenn man in den Schweinestall kommt, steht dieser leer. Wenn wir nicht unser Soll erfüllen, wird es schwer sein, unsere Arbeitseinheiten voll auszuzahlen. Es ist deshalb kein Wunder, dass die übrigen Bauern kein Vertrauen zu den LPG haben.«34

Der LPG in Stolpe, [Bezirk] Schwerin, fehlen Arbeitskräfte. Für eine Fläche von 120 ha stehen nur 66 Arbeitskräfte zur Verfügung. Der Rat des Kreises ist darüber informiert, hat aber bis jetzt noch nichts unternommen.

Anlage 2 vom 5. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2253

Auswertung der Westsendungen (1.–3. Juli 1954)

Zum Abschluss der Volksbefragung brachte die Westpresse angebliche Beispiele für »undemokratische Maßnahmen«. Zum Beispiel Abstimmung ohne Kabine, »Wahlkabinen mit offener Durchsicht, wo Funktionäre saßen und die Wähler beobachteten«, »Erpressungsmanöver und Wahlschlepper«, Stimmenauszählung ohne Kontrolle durch die Besitzer.

In der Hauptsache war die Entscheidung über die Bewertung eines Stimmzettels Gegenstand der Hetze der letzten Tage.

Zum Ergebnis der Volksbefragung selbst wird gemeldet, dass »sowohl nach oben als auch nach unten frisiert« wurde. Zur 2. Möglichkeit wird in verleumderischer Weise vom Sender »Freies Berlin« geschlussfolgert: »… weil einem die Parteiorganisation in dem Bezirk nicht gefällt und man einen Vorwand braucht, um sie von Grund auf zu ändern …«.

In der Einschätzung der Ergebnisse in Dresden, Erfurt und Leipzig wird vom RIAS indirekt die Hoffnung ausgesprochen, dass die Bezirke für ihre Wühlarbeit bes[onders] geeignet seien, da das Ergebnis Ausdruck der fehlenden Verbindung zwischen der Partei und den Massen sei.

Im Zusammenhang mit der Volksbefragung beginnt die Hetze gegen die kommenden Wahlen im Oktober 1954 mit einer Verleumdung über eine »Einheitswahlliste«.35

Die Ausführungen des ehemaligen Generalfeldmarschalls Paulus36 in einer Pressekonferenz werden von der Westpresse nur gering beachtet und nur sein erstmaliges Auftreten als »Sensation« kommentiert. Besonders hervorgehoben wird die Verurteilung der Politik Adenauers durch Paulus. Sender »Freies Berlin« behält sich eine spätere Stellungnahme zu der Erklärung Paulus vor.37

Zur Verleumdung unserer volkseigenen Betriebe gab R. Bialek38 in Fortsetzung der Hetze gegen die DDR ein Interview. Die volkseigenen Betriebe werden als Staatseigentum bezeichnet, »… praktisch ist an die Stelle der einzelnen Kapitalisten … der Gesamtkapitalist, verkörpert durch die Partei- und Staatsbürokratie, getreten …«. Die menschliche Arbeitskraft würde bis zur letzten Minute ausgenützt und der Betriebsleiter müsste für jeden Fehler der Regierung bzw. der Ministerien gegenüber der Arbeiterschaft den Prellbock abgeben. Letzteres versucht Bialek durch ein Beispiel aus der Lowa Bautzen39 zu beweisen.

In Bezug auf die Landwirtschaft ist die Anordnung zur Durchführung der Pläne der pflanzlichen und tierischen Produkte im Jahre 195540 Gegenstand der Hetze des Senders »Freies Berlin.« Die Anordnung wird in verleumderischer Absicht kommentiert und die Bauern werden aufgefordert, rechtzeitig und zahlreich von dem Einspruchsrecht Gebrauch zu machen.

In einer weiteren Sendung hetzt der RIAS zum Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft (z. B. Einsatz von Kindern und Jugendlichen während der Ferien u. a.).

Eine Sendung über »Auflösung der Transitbrigaden« der Reichsbahn41 benutzt der RIAS zu einer üblen Hetze gegen die SU und gegen Volkspolen. Die Auflösung wäre erfolgt, damit die deutschen Eisenbahner nicht die »wahren Verhältnisse« dort sehen sollten.

Zur Beunruhigung der Bevölkerung bringt der RIAS weiterhin Meldungen über angebliche katastrophale Zustände in unserer Planwirtschaft. Gegenstand der Hetze sind diesmal angeblich zurückgezogene Aufträge durch die SU, Polen, Ungarn, China infolge mangelnder Qualität oder Nichteinhaltung der Lieferfristen. Ergänzt wird diese Sendung durch eine Meldung über das »Objekt Elbe«, das für ausschließliche Rüstung bis zu 15 000 Mann Belegschaft im nächsten Jahre haben soll.42

Eine Sendung des Senders »Freies Berlin« befasst sich mit der Hetze »Grenzen des Außenhandels« der DDR. Die DDR sei nicht in der Lage, heißt es in der Sendung, die notwendigen Produkte zu importieren und dafür durch entsprechenden Export die Voraussetzungen zu schaffen, da die Volksdemokratien die benötigten Waren nicht liefern könnten und die DDR gegenüber den westlichen Ländern bei den verlangten Lieferfristen und der Kreditgewährung nicht konkurrenzfähig sei.

  1. Zum nächsten Dokument Analyse für die Zeit vom 16. bis 30.6.1954

    7. Juli 1954
    Analyse für die Zeit vom 16. bis 30.6.1954 [Nr. 12/54]

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    5. Juli 1954
    Informationsdienst Nr. 2252 zur Beurteilung der Situation