Zur Beurteilung der Situation
24. Juli 1954
Informationsdienst Nr. 2269 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Im Mittelpunkt der Diskussionen über politische Tagesfragen steht der Abschluss des Waffenstillstandes in Indochina,1 worüber die Werktätigen erfreut sind. Der Umfang der Diskussionen ist gegenüber dem Vortage etwas größer geworden, jedoch noch allgemein gering. Die meisten Stimmen sind positiv und kommen von Arbeitern, etwas weniger von Angestellten, während sich Intelligenzler nur ganz vereinzelt äußern. Ein Arbeiter aus dem »Martin-Hoop«-Werk in Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Es ist mir eine große Freude und Genugtuung, dass es dem Genossen Molotow2 und den Vertretern Chinas sowie Vietnams gelang, die Indochinesische Frage friedlich zu klären. Es wird nun auch Zeit, dass die deutsche Frage friedlich geklärt wird. Die Möglichkeit zeigt uns Vietnam.«
Die Kollegen in der Materialversorgung des VEB Universalwerkes Schmalkalden, [Bezirk] Suhl: »Die besondere Bedeutung des Abschlusses der Verhandlungen in Genf besteht darin, dass es dem Lager des Friedens möglich war, trotz der Drohung der amerikanischen Imperialisten, einen Brandherd in der Welt zu löschen. Diese Tatsachen lassen erkennen, dass jeder Konflikt auf dem Wege von Verhandlungen zu lösen ist.«
Feindliche Stimmen sind bisher Einzelbeispiele, wo in Verbindung mit Gesprächen über den Waffenstillstand gegen die SU gehetzt wird. Ein Arbeiter aus dem VEB Peniger-Maschinenfabrik, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Man soll nicht glauben, dass dies ein Erfolg des Weltfriedenslagers ist. Die Unterzeichnung ist nur deshalb gekommen, weil die Ostfront endlich auch einmal nachgegeben hat. Letzten Endes mussten sie es ja auch.«
Hauptgesprächsthema bildet weiterhin die Hochwasserkatastrophe,3 wobei vor allem über die Ursache des Unwetters gesprochen wird. Der Inhalt hat sich gegenüber den Vortagen nicht verändert. Des Weiteren hält die Solidaritätsaktion zur Unterstützung der vom Hochwasser Geschädigten an. Allgemein nimmt der Umfang der Diskussionen sowie der Spenden und Verpflichtungen weiterhin ab. Im Bezirk Magdeburg sind die Sammelaktionen fast abgeschlossen.
Vereinzelt wurden Stimmen bekannt, die besagen, dass jetzt eine Lebensmittelknappheit eintreten wird, oder dass die vorgesehene Preissenkung nicht erfolgt.4 Hierzu folgende charakteristische Beispiele. Ein Arbeiter aus Dorfchemnitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Hochwasserkatastrophe hat große Verwüstungen angerichtet. Die Folge davon wird eine Hungersnot bei uns sein.« Von einigen Werktätigen des VEB Walzwerkes Burg, [Bezirk] Magdeburg, wird erzählt, dass in der nächsten Zeit durch die Schäden der Hochwasserkatastrophe mit einer Preissenkung nicht zu rechnen ist.
Über eine Verordnung des Ministeriums für Maschinenbau zur Einschränkung der Interzonenreisen von Angestellten5 wird lebhaft unter den Kollegen des VEB Wälzlager Fraureuth diskutiert. Nach dieser Anweisung sollen die Angestellten davon überzeugt werden, nicht nach Westdeutschland zu fahren. Dies wird besonders von den Verwaltungsangestellten als eine Einschränkung des Interzonenverkehrs betrachtet.
Missstimmung besteht in einigen Betrieben wegen verschiedener betrieblicher Fragen. Im VEB Gasversorgung Leipzig wurde von der HA Gasversorgung eine Überprüfung der Lohngruppenanordnung durchgeführt. Über die Ergebnisse der Überprüfungen ist von Berlin aus noch keine Entscheidung getroffen worden. Darüber ist die Belegschaft verärgert, zumal ihnen durch den Vorsitzenden des Zentralvorstandes der IG Energie eine baldige Regelung versprochen wurde.
Im VEB Kraftwerk Kulkwitz, [Bezirk] Leipzig, wurde die Quartalsprämie Anfang Juli zur Auszahlung gebracht. Die Prämienzahlung hat unter den Arbeitern eine große Diskussion ausgelöst, z. B. erklärte ein Kollege aus der Abteilung Registratur: »Ich kann nicht begreifen, dass der Hauptbuchhalter DM 600 Prämie erhalten hat. Unsere Prämien waren bisher immer nur sehr klein. Schlecht ist auch, dass die Werkleitung nicht offen bekannt gibt, wer welche Prämien erhalten hat.«
Im Synthesewerk Schwarzheide, [Bezirk] Cottbus, macht sich eine Fluktuation von Arbeitskräften in die umliegenden Braunkohlewerke bemerkbar, da in der Braunkohleindustrie die Lohngruppen höher liegen und außerdem Anspruch auf Deputatkohle6 besteht.
Von der Warnow-Werft Warnemünde müssen aufgrund der Reduzierung des zentralen Konstruktionsbüros einige Kollegen zur Neptunwerft Rostock umbesetzt werden. Die Neptunwerft versucht, die Gehälter der Kollegen herabzusetzen, z. B. wurde das Gehalt eines Statikers von 1 000 auf 855 DM herabgesetzt. Diese Maßnahme hat unter den Konstrukteuren, Zeichnern usw. Missstimmung hervorgerufen.
In der Mathias-Thesen-Werft beklagen sich Kollegen darüber, dass eingereichte Verbesserungsvorschläge zwar prämiert, jedoch nicht in der Praxis angewandt werden. Die Kollegen erklären, dass sie keine Vorschläge mehr einreichen wollen, da es sinnlos sei, wenn diese im Schreibtisch liegenbleiben.
Im VEB Jachtwerf Berlin-Köpenick, Abteilung Schlosserei sind die Kollegen über die schlechte Arbeitsorganisation verärgert. So mussten z. B. bereits eingebaute Leitungen nach einer Überprüfung wieder herausgenommen werden, da sie laut Bauvorschrift nicht verzinkt waren. Die Kollegen der Rohrschlosserei sind darüber empört und fordern, dass die Verantwortlichen für die entstandenen Mehrkosten ersatzpflichtig gemacht werden, da es sich um einen Schaden von mehreren Tausend Mark handelt.
Aus dem »Karl-Liebknecht«-Werk in Magdeburg sind viele Kollegen über die schlechte Betreuung in ihrem Ferienheim in Schierke unzufrieden. Trotz vieler Beschwerden an die BGL und Werkleitung ist dieser Zustand nicht abgeändert worden.
Im Wismut-Schacht 13, Revier 6 in Aue7 sind die Kumpels mit der Arbeit der Partei und BGL unzufrieden. Sie erklären, dass sich von den Funktionären selten jemand im Schacht sehen lässt. Nur am Schichtende fragt man einige Kumpels, wie es unten aussieht. Werden dann Mängel berichtet, so wird eine sofortige Änderung versprochen, aber getan wird nichts. Ein Schichtsteiger äußerte: »Wenn man denen die Meinung sagt, so versuchen sie, einen zu drücken wie es nur geht.« Ebenfalls im Schacht 235 in Johanngeorgenstadt ist man mit der Arbeit der BGL unzufrieden. Hier herrscht besonders Missstimmung über ungerechte Verteilung von Ferienplätzen, z. B. erklärten drei Hauer: »Wir sind bereits vier bis sieben Jahre unter Tage, haben jedoch noch keinen Ferienplatz erhalten. Dafür fahren jedes Jahr die Funktionäre, der Zentralvorstand und die HO Wismut. Man sollte doch mehr die vor Ort arbeitenden Kumpels berücksichtigen. Der Gewerkschaft noch einen Groschen bezahlen kommt gar nicht infrage.«
Gerücht über angebliche Lohnkürzung: Im Fischkombinat Saßnitz wurde anlässlich einer Überprüfung durch den Staatssekretär Opitz8 das Gerücht verbreitet, dass die Löhne und Gehälter gekürzt werden sollen. Das Gerücht wurde von einem Kollegen verbreitet, der in der Kombinatsleitung tätig ist.
Massenerkrankung: Nach der Einnahme des Werkküchenessens am 16.7.1954 sind 24 Kollegen der Seifenfabrik der vereinigten Konsumgenossenschaft in Riesa an Durchfall erkrankt. Bis zum 20.7.1954 hat sich diese Zahl auf 42 erhöht. Drei Personen sind arbeitsunfähig. Ermittlungen werden noch geführt.
Betriebsstörung: Im Kraftwerk »Karl Liebknecht«, Kreis Bitterfeld, [Bezirk] Halle, mussten wegen Erdschluss zwei Turbinen stillgelegt werden, wodurch in der Brikettfabrik Holzweißig ein Produktionsausfall von 250 Briketts9 entstand.
Handel und Versorgung
In der Verwaltung der Konsumgenossenschaft Leipzig ist eine große Fluktuation bei Verkäuferinnen, in der Dekorationsabteilung und bei den Handwerkern zu verzeichnen. Die Ursache ist die Überbezahlung durch die HO, die dem gemeinsamen Tarifvertrag der HO und dem Konsum widerspricht. Zum Beispiel wurde einer Angestellten der Konsumgenossenschaft für die gleiche Tätigkeit bei der HO DM 350 bezahlt, während sie bei der KG nur 281 DM erhält.
Der Leiter vom Konsum Pappel, Ecke (Berlin) Schönhauser Allee beklagt sich über die Lieferung von Popeline10 vom VEB Fortschritt.11 Dieser Stoff hatte alle Meter bzw. alle 1½ m Webfehler, sodass er nicht verarbeitet werden konnte. Die Kollegen äußerten dazu, wie auch bei der Lieferung anderer fehlerhafter Ware, dass diese Stoffe wahrscheinlich aus dem Werk kommen, in dem Frida Hockauf12 arbeitet. Sie führen diese Mängel auf die Arbeit im Leistungslohn zurück. Ferner bemängelt diese Verkaufsstelle das Fehlen von Windjacken, Bademänteln, leichten Sommerjacken, guten Anzügen in Übergrößen und die schlechte Verarbeitung eines Teils der Konfektion. Ein Angestellter der Verkaufsstelle sagte, dass sich die Produktionsbetriebe nicht nach den Wünschen des Handels richten und der Handel gezwungen sei, die schlechte Ware abzunehmen, um überhaupt Ware in den Geschäften zu haben. Die Käufer sind über diese Mängel sehr ungehalten und sagen, wenn das der Neue Kurs ist,13 dann gehen wir nach Westberlin einkaufen.
Schwierigkeiten in der Versorgung mit Kartoffeln sind noch teilweise in den Bezirken Rostock, Neubrandenburg, Potsdam, Schwerin und Magdeburg zu verzeichnen.
Über Mangel an billigen Zigaretten und Tabaksorten, z. B. »Casino«, »Turf« u. a. klagen die Bezirke Potsdam, Schwerin, Erfurt, Karl-Marx-Stadt. Die Käufer sind über diese Mängel verärgert und diskutieren negativ darüber.
Im Kreis Bergen, [Bezirk] Rügen, z. B., wo es seit acht Tagen keine Frühkartoffeln gibt, erklärte der Rat des Kreises, dass die Kartoffeln in die Katastrophengebiete geliefert werden.
Im VEB Schlachthof Bützow, [Bezirk] Schwerin, ist zu verzeichnen, dass dieser ständig mit Fett überlastet ist. Es fehlen die notwendigen Maschinen, um das Fett für Staatsreserven zu verarbeiten. Im Schlachthof Wittenberge sind z. B. 50 Prozent Produktionsausfall. Die Ursache ist die ungenügende Belieferung mit Schlachtvieh. Der Schlachthof ist in seiner Kapazität nur mit 40 Prozent ausgelastet. Von den Arbeitsstunden fallen ca. 60 Prozent aus, aber 90 Prozent des regulären Lohnes müssen jedoch gezahlt werden. Die Kollegen vertreten die Meinung, dass sie dann lieber als Hilfsarbeiter in die Produktion gehen wollen.
Landwirtschaft
Die Landbevölkerung diskutiert nach wie vor nur in geringem Maße über politische Tagesfragen. Gespräche über die Hochwasserkatastrophe wurden lediglich aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt bekannt. Hier kommt bei den Bauern die Besorgnis zum Ausdruck, dass aufgrund des schlechten Wetters die Ernteergebnisse beträchtlich herabgemindert wurden und die restlose Erfüllung des Ablieferungssolls schwer möglich sein wird. Die Solidaritätsaktion für die Hochwassergeschädigten nimmt unter den Bauern dieses Bezirkes einen breiten Raum ein. Nur ganz vereinzelt wird sie abgelehnt. Hierzu ein Beispiel: Ein Landwirt und Schmied aus Heidersdorf, Kreis Marienberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, sagte: »Fort mit Eurer Sammelei, ich gebe nichts. Es ist sowieso alles Schwindel, die vom Hochwasser Betroffenen erhalten es doch nicht, wo das Geld hinkommt, ist eine andere Sache.«
Zum Abschluss der Genfer Konferenz wurden nur vereinzelt, meist positive Stimmen bekannt. Negative Stimmen traten nur in ganz geringem Maße auf, wie es folgende Beispiele beweisen: Über den Friedensvertrag in Vietnam äußerte sich der Brigadier der MTS Gerbstedt, [Bezirk] Halle: »Es ist ein großer Sieg des Weltfriedenslagers und wir brauchen keine Bange zu haben, vor einem eventuellen Dritten Weltkrieg. Die friedlichen Kräfte werden sich alle dafür einsetzen und diesen Krieg verhindern.« Einige Bauern aus Großkorbeta, [Bezirk] Halle, sagten: »Jetzt ist die Einheit unsers Vaterlandes in greifbare Nähe gerückt.«
Ein Mittelbauer aus Kleindembach, [Kreis] Pößneck, [Bezirk] Gera, äußerte sich: »Der französische Ministerpräsident hat sein Versprechen gehalten.14 Dem Amerikaner hat es bestimmt einen schönen Schlag gegeben. Wenn die Franzosen nicht Schluss gemacht hätten, wäre es sowieso bald Schluss gewesen, denn sie hätten sich nicht mehr lange gehalten. Man ist jetzt überhaupt gespannt, wo das hinausgeht, denn der Amerikaner wird nicht so stillschweigend zugucken. Hoffentlich wird die Atombombe auch bald verboten, denn es ist ohne Weiteres möglich, dass das Unwetter damit zusammenhängt.«15
In der Hauptsache befasst sich die Landbevölkerung mit der Einbringung der Ernte und den teilweise damit verbundenen Schwierigkeiten und auch anderen Mängeln, worüber sie ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringt. In den ländlichen Gemeinden des Kreises Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden, z. B. beschweren sich die Bauern darüber, dass ein großer Mangel an Schmiedekoks besteht, sodass die Mähbinder und Grasmäher nicht repariert werden können, um rechtzeitig zum Einsatz zu gelangen.
In den MTS herrscht Unzufriedenheit über den Mangel an Ersatzteilen, wie z. B. in Jänkendorf, Kreis Niesky, [Bezirk] Dresden. Hier fehlen für den Mähbinder Lanz Tb 511, Pflüge Typ ccw 7 Ersatzteile und Vollregler für Lichtmaschinen.
Vom Schlepperwerk Nordhausen, [Bezirk] Erfurt, werden die MTS Traktoren Typ RS 30 ohne Lichtmaschinen geliefert, sodass durch diese Traktoren die II. Schicht nicht eingesetzt werden kann.
In der MTS Panschwitz, [Bezirk] Dresden, fehlt es an Dreschsatzführern. Es sind nur acht vorhanden, obwohl 30 benötigt werden.
In der MTS Karstädt, [Bezirk] Schwerin, mangelt es an Ersatzteilen für Kartoffelrodemaschinen.
Die Erntehelfer aus Thüringen, die auf dem ÖLB Büschow, [Bezirk] Schwerin, beschäftigt sind, beklagen sich über die schlechte Bezahlung, die den Versprechungen nicht entspricht, sowie darüber, dass sie aus der Industrie kommen und mit den Landarbeiten nicht genügend vertraut sind.
In dem ÖLB Wokrent, [Bezirk] Schwerin, wurde ein Betriebsleiter eingesetzt, der aus Westdeutschland nach der DDR gekommen ist. Die Erntehelfer aus Sachsen beschweren sich über die Schikanen dieses Betriebsleiters. Unter anderem gibt er ihnen keine Anweisung, welche Arbeit sie verrichten sollen. Sie fordern die Entfernung dieses Betriebsleiters, andernfalls werden sie den Betrieb verlassen.
Über die Wildschweinplage beklagen sich die Bauern aus Keula, [Bezirk] Erfurt, und dem Kreis Schmalkalden, [Bezirk] Suhl. In Keula treten die Wildschweine rudelweise auf und richten großen Schaden in den Kartoffel- und Getreidefeldern an. In Schmalkalden klagen die Bauern, dass sie ihr Soll nicht erfüllen, wenn keine Abhilfe geschaffen wird. Die Bauern der Gemeinde Lüttenmark, [Bezirk] Schwerin, fordern eine Genehmigung für die Grenzpolizei zum Abschießen der Wildschweine, weil diese Plage überhand nimmt.
In der LPG Strensendorf, [Bezirk] Suhl, müssen 20 Ferkel erschossen werden, da dort die Schweinepest ausgebrochen ist. Die Tiere sind im Frühjahr geimpft worden. Der Kreistierarzt wurde davon verständigt, lehnte aber die Behandlung ab, da er seinen Urlaub antreten müsse.
In Gedwitz,16 [Bezirk] Magdeburg, erkrankten Schweine kurz nach der Impfung. Von ca. 200 Schweinen mussten 100 notgeschlachtet werden. Der Impfstoff wurde vom Serumwerk Dessau bezogen. Es wurde veranlasst, den Impfstoff nach Krankheitserregern zu untersuchen. Weitere Impfungen wurden gesperrt. In der Gemeinde Schartan,17 [Bezirk] Magdeburg, brach innerhalb von drei Tagen bei einem Groß-, einem Mittelbauern und einem Schweinemäster die Schweinepest aus. Insgesamt sind sieben Schweine verendet und 80 mussten notgeschlachtet werden.
Übrige Bevölkerung
Die Diskussionen über die Hochwasserkatastrophe sind stark zurückgegangen. Es werden nur noch vereinzelt Diskussionen über die Ursachen geführt. Dabei treten die bekannten Argumente immer noch auf. Ganz vereinzelt wurden uns negative Beispiele bekannt. Eine Einwohnerin aus EisenachErfurt: »Die ganze Aktion ist ein Schwindel. Die Gelder bekommen die Hochwassergeschädigten doch nicht, die werden für lügnerische Propaganda der Regierung benutzt.«
Über politische Tagesfragen wird im Allgemeinen wenig diskutiert. Bei diesen wenigen Diskussionen steht der erfolgreiche Abschluss der Genfer Konferenz in allen Bezirken im Vordergrund. Im Bezirk Leipzig ist zu verzeichnen, dass sich hauptsächlich Angestellte der staatlichen Verwaltungen zum Erfolg der Genfer Konferenz äußern. Der Angestellte (LDPD) vom Rat des Kreises Geithain, [Bezirk] Leipzig: »Jetzt gilt es alle Kräfte einzusetzen, um nach der Einigung in Genf nun das Deutschlandproblem zu behandeln. Dabei ist aber notwendig, dass in unserem Kreisgebiet eine bessere Arbeit als bisher geleistet wird, um die Massen zu mobilisieren.«
Ein Invalide aus Wildenhain, [Bezirk] Dresden: »Die drüben im Westen haben ja wieder einen Schlag erhalten und wir haben gesiegt. So müsste es auch mit unserer Einheit werden. Im Osten und Westen müssten wir alle dafür eintreten, dass wir bald ein einheitliches Deutschland sind.«
Eine Hausfrau aus Demmin, [Bezirk] Neubrandenburg: »Den guten und erfolgreichen Abschluss können wir dem Außenminister der SU Molotow verdanken, der nicht eher halt gemacht hat, bis der Frieden in der Welt gesichert ist.«
Ein Handwerker aus Hainichen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Er wurde langsam Zeit, dass sich die vier Großmächte einigten. Ein Erfolg ist zweifellos die Unterzeichnung des Waffenstillstandes in Vietnam. Auch ohne Dulles18 ging es gut und führte zu besseren Erfolgen als damals in Berlin.«19
Einen großen Umfang haben die wirtschaftlichen Diskussionen unter der übrigen Bevölkerung. Aus Berlin-Köpenick und Halle wurde uns bekannt, dass Angsteinkäufe getätigt werden, da das Gerücht verbreitet wird, dass für alle Waren wieder Lebensmittelkarten eingeführt werden.
In Magdeburg steht im Mittelpunkt der Diskussionen unter den Hausfrauen die zurzeit schlechte Kartoffelversorgung. Wo es Kartoffeln zu kaufen gibt, stehen sofort zahlreiche Käufer Schlange.
In Unterbreizbach,20 [Bezirk] Suhl, herrscht eine schlechte Stimmung unter der Bevölkerung über die mangelhafte Holzversorgung. Die Bevölkerung ist darüber verärgert, dass sie bis jetzt noch keine Zuteilung von Brennholz erhalten hat.
Als besonderer Mangel der volkseigenen Wohnungsverwaltung in Berlin wird bekannt, dass die Kontrolle über die Mietszahlungen vollkommen ungenügend ist. So wird z. B. vom Vorstand der Wirkungsbereiche 20 und 24 mitgeteilt, dass im Wirkungsbereich 20 DM 73 000 und im Wirkungsbereich 24 DM 54 000 Mietrückstände bestehen. Die volkseigene Wohnungsverwaltung will dazu übergehen, anstelle der Einzahlungen der Mieten auf Postscheckkonto durch die Hausvertrauensleute die Miete kassieren zu lassen. Teilweise sind die Häuser in einem sehr schlechten Zustand und deshalb weigern sich die Mieter, die Miete zu zahlen.
In Saßnitz, [Bezirk] Rostock, besteht ein großer Mangel an Ärzten. Der Rat der Gemeinde versucht aufgrund seiner Verbindungen nach Westdeutschland, von dort ein bis zwei Ärzte nach Saßnitz zu bekommen. Die Lage ist im Augenblick so, dass für 12 000 Einwohner zzt. nur ein Arzt tätig ist, weil die anderen in Urlaub sind. Dieser eine Arzt will jetzt auch noch in Urlaub gehen, sodass Saßnitz völlig ohne ärztliche Betreuung ist.
Ein ehemaliger Fremdenlegionär berichtete, dass die Ausbildung, die sie erhielten, sehr hart sei. Märsche bei 40 bis 45 Grad Hitze sind an der Tagesordnung. Bis die Legionäre zu Einsätzen kommen, sind sie dermaßen abgestumpft, dass sie kaum noch an ihr Handeln denken. Die Nationalität der Legion war zu 60 bis 65 Prozent deutsch.21
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriftenverteilung
SPD-Ostbüro:22 Gera 1.00 [sic!], Karl-Marx-Stadt 7 000.
KgU:23 Potsdam 75.
UFJ:24 Potsdam 46.
FDP-Ostbüro: Suhl 124.
NTS:25 Frankfurt 1.00 [sic!], Dresden 8, Potsdam 3 500, Gera 5 000, Halle 10, Karl-Marx-Stadt 11 000, Cottbus 53.
Versch[iedener] Art: Potsdam 24 500 (Plaketten zum 17.6.1954), Neubrandenburg 2 300.
In tschechischer Sprache: Dresden 16, Potsdam 78.
In der Gemeinde Rögnitz im Kreis Gadebusch, [Bezirk] Schwerin, wurden selbstgefertigte Hetzschriften verbreitet.
Die Hetzschriften wurden in den meisten Fällen sichergestellt und gelangten nicht in die Hände der Bevölkerung.
Antidemokratische Tätigkeit: Ein Angestellter des Handelskontors für Zucht- und Nutzvieh aus Laake,26 Kreis Güstrow, [Bezirk] Schwerin, sang in einer Gaststätte ein faschistisches Lied.
Vermutliche Feindtätigkeit
Am 22.7.1954, gegen 9.15 Uhr fand ein Arbeiter des Kaliwerkes »Glückauf«,27 [Bezirk] Erfurt, eine geballte Ladung, d. h. ein Bündel mit zehn im Schacht üblichen Patronen, in einer leeren Lore. Der Empfänger der Patronen konnte festgestellt werden und wurde festgenommen.
Anlässlich der Kulturveranstaltung des zentralen FDGB-Kulturensembles in Cottbus legten unbekannte Täter eine Sprengkapsel, wie sie bei der Eisenbahn als Alarmsignal verwandt werden [sic!], auf eine Straßenbahnschiene. Sach- oder Personenschaden entstand nicht. Vermutlich sollte durch das Sprenggeräusch die Veranstaltung gestört werden.
Im Kreis Görlitz, [Bezirk] Dresden, wird das Gerücht verbreitet, dass im Herbst wieder Brotkarten eingeführt würden.
An der Demarkationslinie werden auf dem westdeutschen Bahnhof Berga wieder »Geschenkpakete« ausgegeben. Berichten zufolge sollen sich sehr viele Reisende an der Ausgabestelle drängen. Die Ausgabe erfolgt gegen Vorlage des Personalausweises und Eintrag.
Lage in Westberlin
Zum SPD-Parteitag28 äußerten einige Delegierte, die in Zehlendorf untergebracht sind, die Befürchtung, dass der Parteitag auffliegen könnte. Sie vertreten die Meinung, dass Ollenhauer29 unter allen Umständen als Vorsitzender zu verschwinden hat und dafür der Ministerpräsident von Hessen, Zinn,30 gewählt werden sollte, weil er eine konsequentere Linie vertritt.
Verschiedene Delegierte äußerten ihre Verwunderung darüber, dass die Zuhörerplätze stets unterbesetzt sind. – Den Ordnern wurde von Josef Braun31 die Anweisung gegeben, alte SPD-Genossen nach Vorzeigen ihres Mitgliedsbuches einzulassen.
Anlage 1 vom 24. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2269
Produktionsschwierigkeiten, die wegen Material- und Arbeitskräftemangel und Absatzschwierigkeiten auftraten
Im VEB Wiko Wittenberge,32 [Bezirk] Schwerin, bestehen Materialschwierigkeiten, wodurch der Produktionsplan für Juli nicht erfüllt werden kann.
Im VEB Testime Wittenberge33 bestehen nach wie vor Materialschwierigkeiten, außerdem fehlen ca. 500 Arbeitskräfte. (Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass viele Frauen den Betrieb verlassen.)
Im Gaswerk Parchim, [Bezirk] Schwerin, besteht ein großer Mangel an Gasrohr und Gasuhren.
Im VEB Maschinenstrickerei Rehna, [Bezirk] Schwerin, ist die Garnversorgung ungenügend. Außerdem hat der Betrieb Absatzschwierigkeiten.
Im VEB Olbernhau Karl-Marx-Stadt34 besteht eine große Schwierigkeit in der Platinbeschaffung. Aus diesem Grunde musste die gesamte Walzproduktion auf Dynamobleche umgestellt werden. Jedoch ist das Vormaterial hierfür bald erschöpft.
Im VEB Kfz-Werk »Ernst Grube« in Werdau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, fehlt es an Kugellagern. Dadurch werden die Ausliefertermine an die Volksdemokratie und kapitalistischen Länder nicht eingehalten.
In der Garage des Wismut-Objektes Auerbach besteht ein großer Engpass an Reifen (900 × 20).
Im VEB IFA-Fahrradteilwerk in Zella-Mehlis, [Bezirk] Suhl, wurde der Quartalsplan für das II. Quartal wegen Materialschwierigkeiten nur mit 80 Prozent erfüllt. Die Arbeiter müssen mit Hilfsarbeiten beschäftigt werden.
Im VEB Ifa-Karosseriewerk Dresden laufen die Materialien erst immer zum Quartalsende ein, sodass dann Tag und Nacht gearbeitet werden muss, während sonst, wie zzt., wenig Arbeit vorhanden ist. Außerdem stehen seit einigen Wochen im Betrieb ca. 40 fast fertige IFA-Wagen für die noch kleinere Zubehörteile, wie z. B. Glasscheiben, fehlen. Der anhaltende Regen hat große Schäden an ihnen verursacht und sie müssen vollständig neu überholt werden.
Im Braunkohlenwerk Spreetal, [Bezirk] Cottbus, mangelt es an neuen Schwellen zur Ausbesserung der Gleisanlagen. Sie befinden sich in solch schlechtem Zustand, dass laufend Entgleisungen vorkommen. Dadurch kann beim Abraum schon seit längerer Zeit das Soll nicht mehr erfüllt werden, sodass die Kohlenförderung der Abraumgrenze nahe kommt.
Im VEB Fernmeldewerk Arnstadt, [Bezirk] Erfurt, sowie im VEB Wasserwirtschaft Erfurt mangelt es an Benzin, wodurch die Kraftwagen in den letzten Tagen des Monats nutzlos herumstehen. Die Dienstfahrten werden dann mit einer Taxe durchgeführt.
Im Bahnbetriebswerk Brandenburg, [Bezirk] Potsdam, besteht ein großer Mangel an Arbeitskräften.
Im VEB Kalkwerk Schrapplau, [Bezirk] Halle, setzte erneut eine Fluktuation von Arbeitskräften in die umliegenden Kohlenbergwerke ein, da die Lohnverhältnisse im Kohlenbergbau besser sind.
Im VEB Spiritus Krakow, [Bezirk] Schwerin, lagern einige Tausend hl Spiritus, der nicht abgesetzt werden kann. Privatfirmen würden den Spiritus abkaufen, jedoch ist das den VEB durch die verantwortliche Verwaltung in Berlin-Adlershof untersagt worden.
Im VEB Holzbearbeitung Schlagsdorf, [Bezirk] Schwerin, bestehen Absatzschwierigkeiten bei Holzeimern.
Im VEB Nährmittelwerk Gadebusch, [Bezirk] Schwerin, konnte der Halbjahresplan wegen Absatzschwierigkeiten nur zu 75 Prozent erfüllt werden.
Im VEB Schreibmaschinenwerk Dresden I und in der DHZ lagern ca. 1 800 Schreibmaschinen, die für den Preis von 900 DM pro Stück von den Kunden nicht mehr gekauft werden. Ein Vorschlag auf Preisreduzierung vom 22.4.1954 an das Ministerium für Finanzen wurde nicht beantwortet.
Anlage 2 vom 23. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2269
Anhang über Industrie
In der Bornaer Braunkohlenindustrie entsteht bis Jahresende durch den Ausfall des Tagebaues Blumroda ein Planausfall von 727 000 t Kohle. Der Kohlenrückstand in den Bornaer Betrieben betrug vor der Katastrophe35 60 000 t. Der Gegenwärtige Rückstand beträgt 391 000 t. Im Abraum sollen die Rückstände von 2 385 000 cbm weitgehendst bis Jahresende aufgeholt werden.
Das Kombinat Espenhain hat folgende Rückstände: Kohle 285 000 t, Abraum: 2 500 000 cbm. Das Kombinat Espenhain hat einen Wintervorrat von 1 300 000 t Kohle zu schaffen. Da aufgrund des Ausfalls der Grube Blumroda sämtliche Kohlelieferungen der anderen Betriebe an das Kombinat Espenhain eingestellt werden müssen, kann Espenhain seinen Wintervorratsplan nicht erfüllen.
Planrückstände
Im Funkwerk Dabendorf, Kreis Zossen, [Bezirk] Potsdam, ist ein Planrückstand von einem viertel Jahr zu verzeichnen. Von der Werkleitung wurde die nicht rechtzeitige Lieferung von Teilen als Grund hierfür angegeben.
Der VEB Oberlausitzer Baumwollspinnerei Neusalza-Spremberg, [Bezirk] Dresden, hat einen Planrückstand von 100 000 m an Rohware, wofür eine wesentliche Ursache der hohe Krankheitsstand von 10 Prozent der Belegschaft ist. Bei Fertigware beträgt der Rückstand 500 000 m. Der Grund liegt darin, dass die Zulieferbetriebe die anfallenden Arbeiten nicht bewältigen können und somit die Weberei mangelhaft beliefern.
Lagerung von Material
Im Privatbetrieb Pohl, Friedrichshagen werden für 1 Million Massenbedarfsgüter hergestellt. Im Betrieb sind große Mengen Bandeisen aus Schwedenstahl vorhanden, die das Ministerium einem anderen Betrieb zur Herstellung von Schlossfedern zur Verfügung stellen will. Bisher wurde jedoch vom Ministerium noch nichts unternommen, sodass sich das Material inzwischen zu Bergen türmt.
Verherrlichung der Verhältnisse in Westdeutschland
Im Gummi- und Textilwerk Bad-Blankenburg, [Bezirk] Gera, werden von einigen Kollegen die Verhältnisse in Westdeutschland verherrlicht. So äußerte sich ein parteiloser Kollege wie folgt: »In Westdeutschland bestehen keine Arbeitsnormen, weil das nur die Arbeit erschwert. Der Bauarbeiter bekommt 1,60 Stundenlohn, nun rechnet euch aus, was er sich alles kaufen kann. Es ist alles ganz anders als es hier in den Zeitungen geschrieben wird. Es werden nicht nur Kasernen drüben gebaut, sondern auch sehr viele Wohnungen. Im August dieses Jahres ist eine Konferenz in Berlin über die Handelsbeziehungen zu Westdeutschland. Die westdeutschen Vertreter werden dann eine Warenpreisangleichung fordern, der man nicht mehr ausweichen kann.« Diese Diskussionen wurden in der Mittagspause geführt und eine Kollegin sagte darauf Folgendes: »Wenn bei uns einmal die westlichen Verhältnisse kommen, dann wird es auch anders. Allerdings glaube ich bald nicht mehr daran, dass ich noch einmal in meine Heimat zurückkomme«. Darauf schaltete sich ein anderer Kollege in das Gespräch ein und sagte: »Auch du, darauf kannst du dich verlassen, kommst wieder in deine Heimat zurück.«
Anlage 3 vom 24. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2269
Westsender zu Jugend-, Sport- und Erziehungsfragen in der DDR
Im Zusammenhang mit dem Kampf unserer Organe gegen die Verseuchung der Jugend mit Schund- und Schmutzliteratur hetzt der Sender »Freies Berlin«, dass in der DDR Abenteuerliteratur verkauft würde, die auch zur Verseuchung der Jugend beitrage. Dazu werden einige Buchtitel genannt.
Das Verbot der FDJ in Westdeutschland36 benutzt der RIAS zu einer erneuten Hetze gegen die FDJ, die keinerlei Recht habe, gegen den Prozess Stellung zu nehmen, da in der DDR mit ihrer Hilfe die Grundrechte der Jugend mit Füßen getreten würden. Es werden dazu vier Forderungen gestellt:
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Zulassung sämtlicher Jugendorganisationen in der DDR,
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»Verzicht der FDJ auf Monopolstellung als priviligierte Staatsjugend«,
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Zulassung sämtlicher Jugendzeitschriften in der DDR,
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FDJ soll für Freilassung aller inhaftierten Jugendlichen eintreten.
RIAS behauptet, das Verbot der FDJ bestehe zu Recht, »alle Gründe und Gegengründe seien vor dem Karlsruher Gericht sorgfältig erörtert« worden.
RIAS berichtet über die letzte Tagung des Zentralrates der FDJ.37 Die Ausführungen über die Volksbefragung38 und die Volkswahlen39 werden in verleumderischer Form kommentiert, wobei die Wahlen Hauptgegenstand der Hetze sind mit der Schlussfolgerung, dass die Jugend in der DDR keinerlei Rechte habe. Es heißt, dass die Rechte der Jugend durch Betrauen mit Funktionen in den Verwaltungen usw. keine Rechte seien, da diese Jugendlichen die Verantwortung für die einzelnen Funktionen infolge mangelnder Erfahrung und des Alters gar nicht tragen könnten, sondern nur eingesetzt würden, weil »linientreue, d. h. sture Verwirklichung der Anordnungen« gebraucht würde.
Der »Deutsche Jugendring«40 ist Gegenstand der Hetze des RIAS und wird dort als »kommunistische Tarnorganisation« bezeichnet. Zur Beweisführung berichtet der RIAS über Vorlagen, die vom ZK der SED behandelt worden wären, aber dann »von einem nach außen nicht erkennbaren Kommunisten vorgeschlagen« wurden. Als Beispiel wird das Ferienprogramm der FDJ41 genannt. Die Hetze wird fortgesetzt mit der Feststellung, dass der »Deutsche Jugendring« sich damit beschäftigen soll, warum die Jugendlichen Passierscheine, Aufenthaltsgenehmigungen usw. benötigen, wenn sie die D-Linie passieren wollen. In Westdeutschland hätten dies die Jugendlichen nicht nötig.
Zur Frage des Sportes hetzt der RIAS, u. a., dass die Betriebssportgemeinschaften »dem Sportler die Entscheidungsfreiheit nehmen« und ihn in eine bestimmte Sportgemeinschaft zwingen. In der Sendung wird das Vereinswesen der kapitalistischen Länder verherrlicht. Weitere Ausführungen wenden sich gegen den Schießsport.
In einer Sendung über die Gesellschaft für Sport und Technik berichtet der RIAS, dass die GST in den letzten Tagen verstärkt dazu überging, in den Dörfern Mitglieder für den Schießsport zu werben. Die Sendung hatte das Ziel, die Werbung zu sabotieren. Es wurden dazu folgende Vorschläge gemacht: Waffen gegen Wildschweine, Hasen- und Kaninchenplage anwenden; Fahrschulen ausnutzen, dabei »militärische Seite des Vereins übersehen«; Diskussionen mit Funktionären der GST mit der Begründung »Zeitmangel wegen Ernte« ablehnen.
Eine Sendung über die Fach- und Berufsschulen benutzt der RIAS zur Hetze gegen einige neu eingerichtete Studienfächer, die sich vor allem mit der Planung beschäftigen. Es heißt, dass »es sich dabei um keine echte Ausbildung, sondern um eine kommunistische Erfindung« handelt. Viele der Schüler werden als unfähig für Fachschulen bezeichnet. Gleichzeitig werden die Schüler aufgefordert, aus politischen Gründen vom Studium ausgeschlossene Jugendliche durch Arbeitsgemeinschaften zu unterstützen.
Anlage 4 vom 23. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2269
Einige Mängel aus der Landwirtschaft
In einigen Kreisen des Bezirkes Suhl beschweren sich die Bauern, dass vonseiten der Staatsorgane keine Maßnahmen getroffen werden, um Abhilfe gegen die Wildschweinplage zu schaffen, die großen Schaden anrichtet. So erklärte ein Bauer aus Wallbach,42 [Bezirk] Suhl: »Ich habe meine Kartoffeln zweimal legen müssen und jetzt ist wieder der größte Teil zerwühlt. Obwohl sich hierfür niemand einsetzt, müssen wir unser Soll in Kartoffeln auch einbringen.«
Die Bauern des Kreises Meiningen, [Bezirk] Suhl, sind darüber ungehalten, dass sie für 65 kg Winterölfrüchte 100 kg Sommerölfrüchte abliefern müssen. Sie sagen: »Wir sind zweimal bestraft, einmal dafür, dass die Winterölfrüchte ausgewintert sind und einmal dafür, dass wir mehr abliefern müssen.«
Der staatliche Forstwirtschaftsbetrieb Meiningen, [Bezirk] Suhl, hat große Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Nägeln für die dringend benötigten Heureiter. Die Arbeiter des Betriebes und auch Bauern äußern ihre Unzufriedenheit darüber mit folgenden Worten: »Eigentlich müssten jetzt im Neuen Kurs Nägel vorhanden sein und solche Mängel nicht mehr auftreten.«
In der LPG Jahrsan,43 [Bezirk] Magdeburg, wirkt sich die schlechte Stimmung nachteilig auf die Arbeitsmoral der Mitglieder aus. Ursache sind die ungesunden Wohnverhältnisse, das schlechte Essen und die unzureichende Finanzlage. Durch die miserable Wirtschaftweise des früheren Vorsitzenden erhalten die Mitglieder in diesem Jahr nur 5,90 DM pro Arbeitseinheit. Der Speiseraum musste wegen Einsturzgefahr geräumt werden, desgleichen ein Teil der Stallgebäude. Eine Hilfe durch Bankkostenzuschüsse ist nicht möglich, da diese nach Mitteilung des Bezirksrates in Wegfall kommen.
Einfluss der CDU auf dem Lande
Im Bezirk Schwerin wurde festgestellt, dass in den Gemeinden, wo ein verhältnismäßig schlechtes Ergebnis bei der Volksbefragung zu verzeichnen war, die CDU einen starken Einfluss auf die Einwohner ausübt.
In der Gemeinde Karow, Kreis Lübz,44 z. B. arbeitet die CDU gegen die Werbung für die KVP.45 Sobald sie erfährt, dass ein Jugendlicher in die KVP geworben werden soll, wirbt sie ihn für die CDU und verspricht ihm, dass er, wenn er Mitglied der CDU ist, in die Reihen der KVP nicht eintreten braucht. In dieser Gemeinde hält die CDU ihre Versammlungen so geheim, dass sie nie vorher bekannt werden, während sie aber sofort informiert ist, was in den Parteiversammlungen der SED gesprochen wurde.
Ein Brigadier, Mitglied der CDU aus dieser Gemeinde, in der die meisten Einwohner auf dem dortigen VEG beschäftigt sind, forderte anlässlich einer Prämienzahlung für alle Traktoristen Prämien und beeinflusste die Traktoristen soweit, dass sie mit ihrer Forderung geschlossen zur Betriebsleitung gingen. Ein anderes Mitglied der CDU verbreitete das Gerücht, dass der Volkskammerpräsident Dr. Dieckmann46 geflüchtet sei. Ähnliche Erscheinungen des Einflusses der CDU wurden auch in anderen Gemeinden mit schlechten Ergebnissen zur Volksbefragung festgestellt, wie in der Gemeinde Carlow, Kreis Gadebusch, Dersenow, Kreis Hagenow, und der Zentralgemeinde im Kreis Güstrow.