Zur Beurteilung der Situation
19. Juli 1954
Informationsdienst Nr. 2264 zur Beurteilung der Stiuation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Im Mittelpunkt der Diskussionen steht weiterhin die Hochwasserkatastrophe,1 worüber im Anhang berichtet wird. Weiterhin beschäftigen sich die Werktätigen meist mit wirtschaftlichen, örtlichen und betrieblichen Fragen, während über politische Probleme sehr selten diskutiert wird.
Die Einschränkung des Wismutsperrgebietes wird unter den Werktätigen des Wismutgebietes zum Teil lebhaft diskutiert und überwiegend begrüßt.2 Im Zusammenhang hiermit werden jedoch oft Zweifel geäußert, ob diese Anordnung von den Verwaltungsstellen auch richtig befolgt wird. Dazu folgendes charakteristisches Beispiel: Ein Kumpel vom Schacht 45/139 Annaberg: »Ich bin gespannt, wie die Durchführungsbestimmungen aussehen werden. Wenn da dann irgendwo noch ein Bürokrat sitzt, muss man tagelang nach einer Einreisegenehmigung laufen. Auf alle Fälle ist es jedenfalls doch eine Erleichterung und langsam wird es schon werden.«
Unzufriedenheit über die laufenden Veränderungen beim Bau der »Sowj[etski] Sojus«3 besteht weiterhin unter den Arbeitern der Warnow-Werft Warnemünde. Die Werker stellen die Frage, was mit den verantwortlichen Funktionären geschieht, die dieses verschuldet und warum man aus den Fehlern beim Bau des Schiffes »Russ« keine Lehren gezogen hat.4 Die allgemeine Ansicht der Kollegen ist, dass der Termin für die Fertigstellung des Schiffes um ein Jahr zu früh festgesetzt sei. Der Brigadier der Werftelektriker äußerte, dass die laufenden Änderungen von gewissen Kreisen bewusst herbeigeführt werden.5
Ein Teil der Arbeiter der Neptunwerft Rostock sind über die Arbeitsorganisation unzufrieden, was sich besonders in den langen Liegezeiten der Frachter vom Stapellauf an beweist. Der Werkstattleiter der Kesselschmiede der Neptunwerft sagte in Gegenwart mehrerer Kollegen, dass ein Teil der Arbeiter zum Rostklopfen eingesetzt bzw. beurlaubt werden muss, wenn sich nicht bald etwas in der Arbeitsorganisation und damit in der Arbeitsbeschaffung ändert.
Große Empörung herrscht unter der Belegschaft des Treuhandbetriebes Karl Malsch & Sohn in Steinbach,6 [Bezirk] Suhl, über die Anordnung des Bezirksrates Suhl, wonach der ehemalige Besitzer den Betrieb zurückerhalten soll. Die Arbeiter brachten zum Ausdruck, dass sie den M. beim Betreten des Betriebsgeländes gewaltsam vertreiben und die Arbeit geschlossen niederlegen wollen. Weiterhin wurde geäußert, dass sie mit diesem Moment sämtliche Funktionen niederlegen und die Mitgliedsbücher der Partei und des FDGB abgeben wollen.
Wegen Absatzschwierigkeiten besteht unter den Kollegen des VEB Eisenmanganerzbergbau, Grube »Gottesgabe« in Steinbach eine schlechte Stimmung, da deshalb voraussichtlich die Produktion für zwei Monate eingestellt werden muss. Der schlechte Absatz von Flussspatmehl ist darauf zurückzuführen, dass der DIA-Bergbau es für dieses Jahr unterlassen hat, dieses Produkt auf dem Weltmarkt anzubieten.
Die Kollegen des VEB Steingutfabrik Annaburg, [Bezirk] Cottbus (ca. 500 Arbeiter), sind darüber verärgert, dass die Betriebsleitung sie zu veranlassen suchte, ihre Normen freiwillig um 10 Prozent zu erhöhen. Den Arbeitern wurde dazu erklärt, dass bei Nichterhöhung der Norm Entlassungen erfolgen, da der Finanzplan mit 30 000 DM überzogen ist und man durch die Normerhöhung einen Ausgleich schaffen muss. (Die SED-Kreisleitung Jessen und der FDGB sollen hiervon in Kenntnis gesetzt worden sein.)
Über bürokratische Behandlung von Verbesserungsvorschlägen sind die Intelligenzler des zentralen Konstruktionsbüros in Meißen, [Bezirk] Dresden, verärgert. Sie vertreten die Meinung, dass die Weiterentwicklung vonseiten ihrer Hauptverwaltung Berlin sehr gehemmt wird. Zum Beispiel reichte ein Ingenieur Verbesserungsvorschläge ein, die über ein Jahr lang in Berlin lagen, ohne dass ein Bescheid kam. In der Zwischenzeit haben sich weitere Verbesserungen ergeben, sodass nochmals Berichte mit Skizzen und Zeichnungen eingereicht werden müssen.
Die Kollegen des Georgi-Dimitroff-Werkes Magdeburg sind über die unhygienischen Zustände in der Werkküche unzufrieden. So befindet sich z. B. der Speisesaal der Belegschaft in sehr unsauberen Zustand. Die Kühlhausanlage ist schon mehrere Monate in Reparatur, wodurch verschiedene Lebensmittel und Konserven für den Verbrauch nicht mehr genießbar sind und fortgeworfen werden müssen. Von der Hygieneinspektion wurde festgelegt, dass die HO-Kantine am 1.8.1954 geschlossen werden soll, wenn sich diese Missstände nicht verändern.
Massenerkrankung: Im VDK Seifenfabrik Riesa erkrankten 30 Kollegen an Durchfall, Erbrechen, an Schwindelanfällen, vermutlich durch das Betriebsküchenesssen. Die Untersuchungen sind im Gange.
Produktionsschwierigkeiten wegen Materialmangel und Ausschuss: Im Betonwerk im Kreis Liebenwerda, [Bezirk] Cottbus (73 Kollegen), musste die Produktion eingestellt werden, da die Zementlieferungen aus Stalinstadt ausbleiben.
In der VAKUUM-Fabrik Vetschau, [Bezirk] Cottbus, fehlt es an Zink.
Im Gubener Wohnungsbau stockt die Lieferung von Betontreppen. Ferner fehlen 600 m Gasleitung, die vertraglich zugesichert waren. Dazu wird berichtet, dass diese Rohre auf Anweisung des Ministers Selbmann7 nach Greifenhain zum Wasserleitungsbau disponiert wurden. Da es sich um Meniolrohre handelt, die für den Wasserleitungsbau gesundheitsschädlich sind, sollen diese Rohre mit einem Kostenaufwand von 50 000 DM entminiolisiert werden.
Bei der Baustelle Wohnungsbau Lauchhammer, [Bezirk] Cottbus, ergeben sich Schwierigkeiten in der Materialzufuhr. Im VEB Blechwalzwerk Olbernhau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, bestehen Schwierigkeiten in der Platinbeschaffung für Dynamo- und Trafobleche.
Im VEB Tabakindustriemaschinen Dresden bestehen große Produktionsschwierigkeiten durch Gussausschuss. Die Lieferungen erfolgen durch die Gießerei Schmiedeberg.
Handel und Versorgung
In Cottbus besteht noch immer der Engpass an billigen Zigarettensorten. In den HO-Verkaufsstellen für Baustoffe in Dresden fehlt es an Zement, Kalk und Schlämmkreide.
In Dresden in der HO, Konsum und DHZ sind die Lager mit Schuhwaren überfüllt. Der Absatz dieser Waren ist nicht garantiert, da durch die Preisherabsetzung nur die neue Produktion auf DM 22,00 bis 28,00 DM festgesetzt sind [sic!]. Für die an Lager befindlichen Waren beläuft sich der Preis auf DM 36,00 bis 40,00. Für die HO ist der Finanzplan gefährdet.
In Demmin, [Bezirk] Neubrandenburg, ist die Versorgung mit Frühkartoffeln noch sehr mangelhaft. Bisher gelangten nur 8 t zur Verteilung, davon erhielt das Ferienlager 3 t. In Demmin lagern 2,5 t Schmalz, die nicht verkauft werden dürfen, da die vorschriftsmäßige Verpackung nicht vorhanden ist und auch in Demmin nicht beschafft werden kann, deshalb muss anderes Schmalz zum Verkauf nach Demmin gebracht werden. Das Schmalz, was in Demin lagert, ist, wenn keine Änderung eintritt, dem Verderb preisgegeben.
Im Kreis Parchim, [Bezirk] Schwerin, gibt es keine Damenfahrräder.
Landwirtschaft
Während über die politischen Tagesfragen kaum diskutiert wird, stehen die Diskussionen über die Hochwasserkatastrophe unter der Landbevölkerung im Vordergrund der Gespräche. Über die Hochwasserkatastrophe wird im Anhang berichtet.
Im Mittelpunkt stehen wirtschaftliche Fragen. So herrscht z. B. in Steinbach, [Bezirk] Suhl, große Unzufriedenheit über die Wildschweinplage, wodurch ganze Kartoffelschläge restlos zerstört wurden. Die Bauern fordern schnellste Abhilfe durch Jagdkommandos.8
Der Bezirk Rostock berichtet über größere Ausmaße von Schweinepest und über Kartoffelkäferfunde.
In der MTS Kamenz, [Bezirk] Dresden, tritt eine Planungsgefährdung ein, insbesondere beim Einsatz der Mähdrescher, da das Getreide plattgeregnet wurde.9
Die MTS-Stationen des Kreises Luckau, [Bezirk] Cottbus, können nicht 100-prozentig ausgelastet werden, da die Bauern einen Teil der Flächen selbst bearbeiten.10
In der LPG Groß Pankow, [Bezirk] Potsdam, herrscht Missstimmung wegen der Arbeitseinheiten. Dort wurde eine Norm von acht Stunden als Arbeitseinheit festgelegt, wofür DM 8,00 bezahlt werden. Den Mitgliedern wurde aber nicht gesagt, wie viel in diesen acht Stunden geleistet werden muss.11
In der Gemeinde Vettin, [Bezirk] Potsdam, äußerten die Bauern in einer Versammlung, dass sie ausgebeutet werden und begründeten es damit, dass sie für 1 dz Getreide von der VEAB DM 23,00 erhalten und für 1 dz Futtergetreide von derselben VEAB DM 27,00 bezahlen müssen.
Übrige Bevölkerung
Über politische Tagesfragen wird weiterhin nur wenig diskutiert. Im Mittelpunkt der Gespräche steht die Hochwasserkatastrophe, über die im Anhang berichtet wird.
Aus Immelborn, [Bezirk] Suhl, wird über das schlechte Verhalten der Lehrer bei der Ferienaktion geklagt. Die Lehrer befassen sich mit Skat, Tischtennis, Volleyballspielen und kümmern sich nicht um die Kinder. Dadurch kommt es oft zu Schlägereien bei den Kindern.
Der Bürgermeister aus Schönhagen, [Bezirk] Erfurt, verbreitet das Gerücht, dass die Bürgermeister im Herbst ihrer Posten enthoben und an ihre Stelle Kommissionen eingesetzt werden.
Im Stadtgebiet Wismar, [Bezirk] Rostock, herrscht Missstimmung unter der Bevölkerung über die schlechte Belieferung mit Frühkartoffeln.
Der Besitzer einer Vertragswerkstatt für BMW, AWO12 und IFA13 aus Gransee, [Bezirk] Potsdam, kann keine Reparaturen mehr durchführen, da er keine Ersatzteile erhält. Ein BMW-Krankenwagen steht bereits seit einigen Wochen in seiner Werkstatt, weil die nötigen Ersatzteile fehlen.
Der Bezirk Erfurt berichtet über die Verbreitung des Arguments »Freie Wirtschaft«, das jetzt immer mehr in Kreisen der Einzelhändler auftritt. So erklärte z. B. ein parteiloser Altstoffhändler aus Mühlhausen: »Wir brauchen keine Einheit und Freiheit, wie die sie hier meinen, wir brauchen eine Freiheit für die Wirtschaft, das ist unsere Freiheit.« Ein Kohlenhändler aus Sömmerda: »Die freie Wirtschaft wollen wir, wenn wir die haben, können 30 bis 40 Faulpelze vom Rat des Kreises runter von ihren Sitzen.«
Auf Anordnung des Produktionsleiters der Konsumgenossenschaft erhielt das Ferienlager »August Bebel« in Michendorf, [Bezirk] Potsdam, von der Konsumverkaufsstelle des gleichen Ortes verdorbenes Hackfleisch aus dem Bouletten gebraten wurden. Bei der Küchenleiterin und beim Bürgermeister, die von dem rohen Fleisch gekostet hatten, zeigten sich Vergiftungserscheinungen.14
Die Bevölkerung von Eichwalde, [Bezirk] Potsdam, beschwert sich darüber, dass die Tomaten in verschiedenen Geschäften zu verschiedenen Preisen verkauft werden, und zwar zu 1,60, 1,50 und 1,20 DM das Pfund.
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriftenverteilung
KgU:15 Potsdam 13, Karl-Marx-Stadt 8 000.
CDU-Ostbüro:16 Potsdam 20 000.
NTS:17 Halle und Neubrandenburg einige, Frankfurt/Oder 4 400, Potsdam 1 564.
Am 15.7.1954 wurde in Mühlhausen, [Bezirk] Erfurt, ein mit einem Druckkasten gefertigtes Hetzblatt gefunden, welches einen neuen 17. Juni propagierte und zum Generalstreik auffordert.
In der Gemeinde Katzhütte, [Bezirk] Suhl, wurden Flugblätter verstreut, worin es hieß, dass der Weltuntergang bevorsteht. Die Hetzschriften wurden in den meisten Fällen sichergestellt und gelangten nicht in die Hände der Bevölkerung.
Diversion: In Krampnitz, [Bezirk] Potsdam, wurden zwei Elektromotoren von unbekannten Tätern unbrauchbar gemacht, indem ein 6 cm langer Bolzen bzw. eine Kettenlasche in den Motor geworfen wurden.
Der VEB Elektromotorenwerke Grünhain18 und Feueremaillewerk Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, erhielten telefonische Aufforderungen, Arbeitskräfte zur Beseitigung von Hochwasserschäden einzusetzen. Überprüfungen ergaben, dass die Katastrophenkommissionen derartige Anweisungen an die genannten Betriebe nicht erteilten.
Am 16.7.1954 wurden auf dem Bahnhof Gesundbrunnen durch vier Personen die Hetzschriften »Englische Rundschau«, am Eingang des Bahnhofes Neukölln durch zwei Personen unter Stupo-Schutz19 Hetzschriften »Tarantel«20 und auf dem Bahnhof Potsdamer Platz, Bahnsteig A durch eine Person die Hetzschrift »Der Tag« verteilt. Letztere Person wurde durch zwei weitere gesichert. Bei ihrer Flucht hinterließen sie noch 1 000 Exemplare. In sechs Fällen wurden bis zu 500 Hetzschriften in S-Bahnzügen gefunden.
Vermutliche Feindtätigkeit
Der Pfarrer aus Paaren im Glien,21 Kreis Nauen, [Bezirk] Potsdam, verteilte in den letzten zwei Monaten an die Kirchbesucher Gutscheine zum Empfang von Lebensmittelpaletten22 in Westberlin.
Anlage 1 vom 19. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2264
Bericht zur Hochwasserkatastrophe
Im gesamten Gebiet der DDR stehen die Diskussionen über die Ursache der Unwetterkatastrophe im Vordergrund. Die Diskussionen haben sich gegenüber dem Vortage nicht verändert. Nach wie vor steht ein großer Teil der Bevölkerung auf dem Standpunkt, dass die Atombombenversuche der USA die großen Regenfälle ausgelöst hätten.23 Einzelne Personen bringen die Regenfälle mit der Sonnenfinsternis in Verbindung.24 Andere Menschen verneinen vorstehende Ursache mit der Begründung, dass es schon immer Hochwasser gegeben hätte. Besonders aus religiösen Kreisen kommen Stimmen, dass das Unwetter eine Strafe Gottes sei.
In den Katastrophengebieten wird nur positiv über den Einsatz der Sowjetarmee und der VP gesprochen. Eine Hausfrau aus Leipzig: »Von hier aus konnte ich nur im Boot nach Lindenau fahren. Durch das schnelle Eingreifen unserer VP und der Angehörigen der sowjetischen Besatzungsmacht und der Arbeiter aus den Betrieben gelang es, das Wasser zu bannen, sodass heute die Straßen schon wieder getrocknet sind.«
Die Verbundenheit mit dem vom Hochwasser geschädigten Bevölkerungskreisen kommt in zahlreichen Solidiaritätsaktionen zum Ausdruck. In zahlreichen Fällen kam es zu Geldspenden unter allen Bevölkerungsschichten. Große Teile der Arbeiter, Angestellten und technischen Intelligenz verpflichteten sich, Prozente ihres Gehaltes bzw. Lohnes für die Geschädigten zu spenden. Des Weiteren wurden auch Beispiele bekannt, wo Produktionsverpflichtungen eingegangen wurden. Von der Landbevölkerung wurden uns viele Beispiele bekannt, wo Getreide, Kartoffeln und Futtermittel für die vom Hochwasser Geschädigten zur Verfügung gestellt wurden. Der VEB Sägewerk Röbel, [Bezirk] Neubrandenburg, fuhr eine Sonderschicht, den Erlös von DM 220 wurde den Geschädigten zur Verfügung gestellt.
Die Komplexbrigade Krüger von der Transportabteilung Gera verpflichtete sich innerhalb eines Wettbewerbes, jede Woche eine Hochleistungsschicht zu fahren und vorfristig den Jahresplan zu erfüllen.
In einigen Gemeinden des Kreises Sonneberg, [Bezirk] Suhl, wurden DM 11 551, 3 897 kg Getreide, 1 458 kg Kartoffeln sowie 3 932 kg Heu gespendet.25
In der Gemeinde Mustin, [Kreis] Sternberg, [Bezirk] Schwerin, konnten bis jetzt für die Hochwassergeschädigten 70 Ztr. Getreide aufgebracht werden. Die Gemeinde hat sich das Ziel gesetzt, 120 Ztr. Getreide zu sammeln. Ein Neubauer ging mit gutem Beispiel voran und spendete 10 Ztr. Getreide.26
Die LPG Schafstädt, LPG Schotterey, Bad Lauchstädt und die BHG Merseburg spendeten für die Gemeinde Kollenbey, [Bezirk] Halle, sechs Lkw mit Futter, Getreide, Futterschnitzel und Grünfutter.27
In der LPG »Walter Ulbricht« in Merxleben, [Bezirk] Erfurt, sind die Mitglieder ebenfalls bereit, etwas zu spenden. Der Vorsitzende der LPG spendete ohne Wissen der Mitglieder 45 Ztr. Weizen, dies rief Verärgerung hervor.28
Angsteinkäufe: In den Bezirken Suhl und Gera werden in verstärktem Maße Mehl und Teigwaren gekauft.
Anlage 2 vom 19. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2264
Auswertung der Westsender
Energieversorgung der DDR
In den letzten Tagen beschäftigten sich die westlichen Rundfunkstationen mehrfach mit dem Energieprogramm der DDR. Die Linie ihrer Hetze besteht darin, von der »Unmöglichkeit der Realisierung« des Energieprogrammes zu sprechen und die Energieversorgung der DDR als »hoffnungslos« zu bezeichnen.
Der Sender »Freies Berlin« spricht davon, dass die Braunkohlenförderung in der DDR, deren Verwertung infolge Fehlens von Steinkohle im Vordergrund steht, nicht ausreicht; die Förderung käme nicht nach und die Kapazität der Brikettfabriken sei ungenügend. Es wird angezweifelt, dass die DDR »auch auf lange Sicht dieses Programm ohne beträchtliche Hilfe von außen durchführen kann«, da dazu »… der Bedarf an Stahl und Stahlerzeugnissen so groß ist, dass die ohnehin unzureichende Stahlbasis der DDR ganz erheblich überfordert wird«. Sender »Freies Berlin« hetzt, dass sich dieses Investitionsprogramm auf die Verbesserung der Lebenslage in der DDR negativ auswirken wird. Zum Schluss wird die Befürchtung ausgesprochen, dass durch Umstellung auf Gasverwertung die Absatzchancen des Ruhrgebietes in der DDR verringert werden.
Sender »Freies Berlin« versucht, die Arbeiter der DDR zu den Wettbewerben der VEB negativ zu beeinflussen. Er meldet, dass infolge »Überbelastung durch Wettbewerbe an den Hochöfenanlagen des Stahl- und Walzwerkes Henningsdorf größere Schäden eingetreten« seien.
Staatsorgane der DDR
Die Westsender beschäftigen sich mit dem »Weißbuch über die VP«29 der britischen Regierung. Mit der Gegenüberstellung irrealer Zahlen wird der Beweis versucht, dass die VP »eine Armee« sei, »die von den Sowjets seit 1948 aufgebaut wird …«. Es werden Zahlen über angebliche Stärke der Einheiten Bewaffnung und Struktur gegeben. Die Hetze geht noch weiter. Es wird behauptet, dass die VP »eine Kadertruppe« sei, die »bei Einführung der allgemeinen Wehrpflicht« sofort verstärkt und »für offensive Zwecke benutzt werden kann«. Dieser letzten verleumderischen Behauptung über den Charakter unserer VP schließt sich die versuchte Beeinflussung der Bevölkerung an, dass doch durch die getroffenen Feststellungen bewiesen sei, dass die EVG »wirklich eine Verteidigungsgemeinschaft ist«.30
Hetze über Prozesse in der DDR
Den Prozess gegen die Schädlingsgruppe im Mansfeld Kombinat »Wilhelm Pieck« vor dem Bezirksgericht in Halle benutzt der RIAS zur Hetze gegen führende Funktionäre unseres Staates.31 Er benutzt dazu die sinnentstellende Wiedergabe einer Pressenotiz vom März 195332 über die Schädlingsarbeit, wonach die Schuld bei den zuständigen Ministerien zu suchen sei, dessen Funktionäre »aber nicht auf der Anklagebank sitzen«. Die Sendung schließt mit der versteckten Mahnung an die Angehörigen der Intelligenz, keine verantwortlichen Funktionen mehr zu übernehmen.
Die Verurteilung des ehemaligen Ministers für Handel und Versorgung, Hamann,33 wird zu einer üblen Hetze gegen die DDR benutzt. Es heißt in einer Sendung des RIAS, dass »kein korrektes Gerichtsverfahren« durchgeführt wurde und dass sich nach der Verhaftung Hamanns nichts in der Versorgungslage der DDR geändert habe.
Im Zusammenhang mit der Verurteilung Dertingers34 hetzt der Sender »Freies Berlin«, dass die Prozesse gegen Dertinger und Hamann die Mitglieder der CDU und LDP »einschüchtern« sollen.
Landwirtschaft
In Fortsetzung der Hetze über »systematische Benachteiligung der Einzelbauern« beschäftigt sich der RIAS mit der Düngemittelversorgung in der DDR. Nur die Einzelbauern würden über Düngermangel klagen, während »die LPG und VEG … geradezu überschüttet« würden, sodass sie sogar »einen schwunghaften Schwarzhandel treiben könnten«.
Zur Ausbildung ärztlichen Personals hetzt der Südwestfunk gegen die eingerichteten Arzthelferlehrgänge. Durch die Schilderung des Ausbildungsweges wird versucht, in der Bevölkerung Misstrauen gegen die Fähigkeiten dieser Ausgebildeten zu wecken.