Stimmung zu Prämienfragen (2)
9. April 1956
Stimmung zu Prämienfragen [2. Bericht] [Information Nr. M83/56]
In der Zeit vom 18.3. bis 6.4.1956 wurden unter den Beschäftigten einer Reihe Betriebe wiederum unzufriedene Diskussionen über das Prämiensystem geführt, und zwar:
- 1.)
Auszahlung von Quartalsprämien,
- 2.)
Wegfall der Treueprämie1 und
- 3.)
Nichtzahlung von Wettbewerbsprämien
1.) Auszahlung von Quartalsprämien
Nach wie vor löst die Zahlung von Quartalsprämien an die Wirtschaftsfunktionäre und Angestellte unter den Produktionsarbeitern heftige Diskussionen und Unzufriedenheit aus. Dabei wird immer wieder der Standpunkt vertreten, dass es nicht richtig sei, wenn die Angestellten so hohe Summen erhalten und sie, die Arbeiter, nur mit so niedrigen Prämien bedacht werden. So kam es z. B. unter der Belegschaft des VEB Bauelemente Großbreitenbach, [Bezirk] Suhl, diesbezüglich zu heftigen Diskussionen. Als in einer von der Belegschaft geforderten Versammlung sich der Werkleiter bemühte, die Arbeiter aufzuklären, wurde er ausgepfiffen. Typisch für die Einstellung eines großen Teiles der Arbeiter ist die Meinung eines Arbeiters aus dem VEB Holzwerk Großbreitenbach, [Bezirk] Suhl. Er äußerte: »Wir als Holzarbeiter müssen körperlich schwer arbeiten und verdienen 280 DM monatlich, während die Angestellten ein höheres Gehalt bekommen und außerdem noch Prämien einstecken. Da soll mich mal einer überzeugen, dass dies richtig ist.«
Einem Instrukteur der SED-Kreisleitung wurde von einigen Arbeitern der Glashütte Thermos Langewiesen, [Kreis] Ilmenau, [Bezirk] Suhl, empört die Prämienverteilung vorgehalten und die Frage gestellt: »Wollt ihr so die Einheit schmieden, indem ihr solche Unterschiede macht und den Angestellten 1 400 DM und den Arbeitern 30,00 DM auszahlt?« Zu ähnlichen Diskussionen kam es noch in nachstehenden Betrieben: VEB Elbewerft Roßlau, [Bezirk] Halle, Karl-Marx-Werk Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, VEB Lederwerk Weida, [Bezirk] Gera, AWE Eisenach und VEB »Klement Gottwald« Ruhla,2 [Bezirk] Erfurt.
2.) Wegfall der Treueprämien
Zu negativen bzw. unzufriedenen Diskussionen über den Wegfall der Treueprämie kam es im VEB Geräte- und Reglerwerk Teltow, [Bezirk] Potsdam, und im Abraum Pirkau, Kreis Hohenmölsen, [Bezirk] Halle. So herrscht z. B. unter den Kollegen des erstgenannten Betriebes, denen die Treueprämie gestrichen wurde, eine sehr schlechte Stimmung. Es handelt sich hier meist um Technologen und Angestellte, die die Arbeiten eines Ingenieurs verrichten. Die Betreffenden bringen ihre Missstimmung hauptsächlich gegen den BGL-Vorsitzenden zum Ausdruck, der ohne jede Diskussion seine Zustimmung zur Streichung der Prämien gab. In ihren Diskussionen erklären die Kollegen, dass der Wegfall dieser Treueprämien im Widerspruch zu den Ausführungen des Genossen Walter Ulbricht auf der III. Parteikonferenz stünde.3 Ein Maurer (SED), beschäftigt im Abraum Pirkau, sagte: »Die Verordnung über den Wegfall der Treueprämien für die Kollegen, die nicht unmittelbar an der Produktion beteiligt sind, halte ich nicht für richtig. Bis jetzt erhielten alle Kollegen aus dem Tagebau diese Prämie. Durch eine solche Maßnahme wird nur Unzufriedenheit unter der Belegschaft hervorgerufen.«
Im VEB Streichgarn Pößneck, [Bezirk] Gera, sind diejenigen Arbeiter, die in keinem Leistungslohn stehen, über den Wegfall der 10 bis 20%igen Leistungsprämien verärgert. So kommt es öfters zu Diskussionen wie z. B.: »Ja, für die neue Wehrmacht4 muss doch wieder auf irgendeine Weise Geld geschafft werden und das kann nur durch so etwas geschehen.«
3.) Nichtzahlung von Wettbewerbsprämien
Aus den Betrieben VEB Schmalkaldener Kranbau, [Bezirk] Suhl, und VEB Kraftverkehr Altenburg, [Bezirk] Leipzig, wurde Folgendes bekannt: Im erstgenannten Betrieb ist ein großer Teil der Kollegen sehr verärgert über die schlechte Termineinhaltung des VEB Fischkombinat Rostock in der Fertigung der Betonfundamente für die Fischlöscheinrichtung. Dadurch ist die Zahlung der Prämie in Höhe von 25 000 DM von der HV Berlin für die vorfristige 3-Monate-Fertigstellung infrage gestellt. Die Kollegen des VEB Schmalkaldener Kranbau bringen zum Ausdruck, dass die Verantwortlichen des VEB Fischkombinats, welche mit der termingemäßen Fertigstellung der Betonfundamente beauftragt waren, zur Verantwortung gezogen werden [müssten].
Unter den Kraftfahrern des VEB Kraftverkehr Altenburg besteht Unzufriedenheit über das Nichtzahlen der Wettbewerbsprämie für das I. Quartal 1956. Der Grund dafür ist, dass durch die Kälteperiode, trotz größter Anstrengungen der Fahrer, den Fahrbetrieb aufrecht zu erhalten, der Plan nicht erfüllt wurde. Es gibt zahlreiche Fahrer, die täglich viel mehr Stunden, als ihre Arbeitszeit beträgt, gearbeitet haben. Deshalb sehen sie nicht ein, dass die Prämie nicht gezahlt wird.