Direkt zum Seiteninhalt springen

Probleme bei Investitionsvorhaben im Verkehrswesen

16. Juni 1961
Einzel-Information Nr. 305/61 über Manipulationen des Ministeriums für Verkehrswesen bei der Vorbereitung und Durchführung von Investvorhaben

[Faksimile des Deckblatts]

Vom MfS wurde bereits in der Information Nr. 174/61 vom 14.4.1961 auf das Projekt »Spurwechselradsätze für die DR« hingewiesen (S. 10 und 11 der Information).

Trotz der inzwischen erfolgreich verlaufenden Erprobung von Spurwechselradsätzen halten wir es für notwendig, auf einige prinzipielle Fragen der Behandlung von Investvorhaben hinzuweisen, die bei diesem Projekt aufgetreten sind, zumal es Hinweise ähnlicher Art auch bei anderen Projekten gibt.

So wurde zu einem Zeitpunkt, als die Funktionstüchtigkeit der Spurwechselradsätze noch nicht erwiesen war, auf Beschluss der Leitung des Ministeriums für Verkehrswesens das RAW »7. Oktober« Zwickau beauftragt, Voraussetzungen für die Aufnahme der Produktion von Spurwechselradsätzen zu schaffen und u. a. dazu eine Produktionshalle für die Serienfertigung zu errichten.

Durch diese Fertigung von Spurwechselradsätzen wird die Produktionskapazität für die eigentliche Aufgabe des RAW Zwickau (Reparatur von Dampflokomotiven) erheblich eingeschränkt, besonders bei Werkzeugmaschinen. Ferner wurden Werkzeugmaschinen in Höhe von 100 000 DM für die vorgesehene »Taktstraße zur Serienfertigung von Spurwechselradsätzen« angeschafft, für die aber bisher die Finanzierung noch nicht geklärt werden konnte, weil das gesamte Projekt, das einen Kostenaufwand von 6,2 Mio. DM (Bau und Ausrüstung) erfordert, vom Staatlichen Büro für die Begutachtung von Investvorhaben abgelehnt wurde.

Um trotz dieser Ablehnung und trotz einer Denkschrift des Werkleiters zum RAW Zwickau an den Minister für Verkehrswesen – in der auf die sich im RAW ergebenden Schwierigkeiten (Einschränkung der Kapazität im Lok-Reparaturprogramm, keine gesicherte Materialbereitstellung) hingewiesen wurde – das Projekt Spurwechselradsätze forcieren zu können, wurden vom Ministerium für Verkehrswesen eine Reihe offensichtlicher Manipulationen durchgeführt. Der Minister für Verkehrswesen beauftragte den Leiter der Hauptverwaltung RAW des Ministeriums für Verkehrswesen, Genossen Wegner, das gesamte Investitionsvorhaben auf 4,9 Mio. DM zu reduzieren. Damit unterliegt die Bestätigung des Projektes nur noch dem MfV, und eine Befürwortung oder Genehmigung durch das Staatliche Büro für die Begutachtung von Investvorhaben ist nicht mehr erforderlich, obwohl am Objekt selbst keinerlei Veränderungen vorgenommen wurden. Die über die 4,9 Mio. DM hinaus noch benötigten Mittel sollen durch sog. Erweiterungsbauten im RAW Zwickau aufgebracht werden und zwar als ein vom RAW Zwickau zu erarbeitendes Grundprojekt, das der Hauptverwaltung RAW des MfV vorgelegt werden soll. Die bisher investierten Mittel sollen als »Erweiterungsmaßnahmen für die Lokunterhaltung« ausgewiesen und abgerechnet werden. In Wirklichkeit wird aber, wie schon erwähnt, die Kapazität der Lokomotivreparaturen sogar eingeschränkt.

Bei diesen Manipulationen wurde darauf orientiert, dass keinesfalls bei der Begründung für den Einsatz der verschiedenen Maschinen die Produktion von Spurwechselradsätzen angegeben wird. Die Finanzierung der bereits produzierten Spurwechselradsätze erfolgt ebenfalls nicht auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg (Fonds für Forschung und Entwicklung), sondern durch Umlaufmittel der DR.

Ähnliche Manipulationen scheinen auch beim Ausbau der Fähranlage Warnemünde eine Rolle zu spielen, wo nach groben Schätzungen eine Investsumme von 4,980 Mio. DM angegeben wurde, die später durch Verhandlungen mit der Mitropa nochmals auf 4,3 Mio. DM reduziert werden konnte. Auch hier wird von Fachleuten eingeschätzt, dass die globale Festlegung der Mittel knapp unter der 5-Mio.-Grenze auf eine Umgehung des Staatlichen Büros für die Begutachtung von Investitionsvorhaben schließen lässt, zumal bei verantwortlichen Funktionären der DR noch keine klaren Vorstellungen über das Gesamt-Vorhaben bestehen. Die Festlegung dieser Summe aufgrund nur grober Berechnungen dürfte nicht den realen Anforderungen des Projektes entsprechen.

Mielke [Unterschrift]

  1. Zum nächsten Dokument Ermittlungen zur Zeitschrift »Der dritte Weg«

    21. Juni 1961
    Einzel-Information Nr. 321/61 über das Renegatenzentrum »Der dritte Weg«

  2. Zum vorherigen Dokument Besuch des französischen Generals Crépin in Wünsdorf

    15. Juni 1961
    Einzel-Information Nr. 310/61 über den Besuch des Oberbefehlshabers der französischen Streitkräfte in Westdeutschland, General Crépin, beim Oberbefehlshaber der zeitweilig in der DDR stationierten sowjetischen Streitkräfte in Wünsdorf