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Beabsichtigte Ernennung Havemanns zum ordentlichen Mitglied der DAW

19. März 1964
Einzelinformation Nr. 225/64 über die beabsichtigte Ernennung Prof. Havemanns vom korrespondierenden zum ordentlichen Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften (DAW)

Für den 12.3.1964 war in der Klasse für Chemie, Geologie und Biologie der DAW (ebenso wie ca. zwei Wochen vorher in anderen Klassen) die Umwandlung von sechs korrespondierenden Mitgliedern der DAW, darunter auch Prof. Havemann,1 zu ordentlichen Mitgliedern vorgesehen.2 Diese Zusammenkunft war lt. Arbeitsplan schon langfristig angesetzt. Desgleichen hat es über die Kandidatur der betreffenden korrespondierenden Mitglieder bereits lange Zeit vorher Diskussionen um die Auswahl gegeben (z. B. in einer Parteigruppenversammlung des Präsidiums am 17.5.1963). Inwieweit dabei die von der Partei auf der 5. Tagung des ZK3 und auf der Parteiaktivtagung der Humboldt-Universität4 zur politisch-ideologischen Haltung Prof. Havemanns angesprochenen Probleme berücksichtigt wurden, ist nicht bekannt.5 Der bisherigen Praxis entsprechend fand vor der vorgesehenen Zusammenkunft eine Beratung der Parteigruppe des Präsidiums der DAW (am Vormittag des 12.3.1964) statt, an der u. a. die Professoren Hartke,6 Rompe,7 Rienäcker,8 Stern, L.,9 Oelßner,10 Leibnitz11 und Bertsch12 teilnahmen. In dieser Beratung wurden u. a. die Vorschläge der Klasse für Chemie, Geologie und Biologie zur Umwandlung zum ordentlichen Mitglied der DAW beraten. Dabei warf Prof. Stern die Frage auf, ob die Umwandlung Prof. Havemanns in ein ordentliches Mitglied unter den jetzigen Bedingungen nicht ein »Politikum« sei, ob diese Ernennung überhaupt tragbar sei. Prof. Leibnitz äußerte sich dahingehend, er habe in wissenschaftlicher Hinsicht keine Bedenken. Die anderen anwesenden Genossen haben sich nach den bisherigen Feststellungen nicht klar zu diesem Problem geäußert, sodass die Beratung ohne konkretes Ergebnis beendet wurde.

Am Nachmittag des 12.3.1964 fand die Tagung der Klasse für Chemie, Geologie und Biologie statt, an der folgende Professoren teilnahmen: Thilo,13 Correns,14 Leibnitz, Langenbeck,15 Rienäcker, Falkenhagen,16 Gersch,17 Rieche,18 Lehmann-Gützlaff,19 Schirmer,20 Kleber21 und die korrespondierenden Mitglieder Havemann und Müller-Stoll.22

Zu Beginn der Sitzung stellte der Sekretär der Klasse Prof. Lehmann die Frage, ob die Entscheidung über die Umwandlung der korrespondierenden Mitglieder im Beisein der Kandidaten behandelt und ob die Abstimmung über die Vorschläge offen oder geheim erfolgen sollen. Die Teilnehmer sprachen sich für die Behandlung im Beisein der Kandidaten und für die offene Entscheidung aus. Nach dieser Einleitung von Prof. Lehmann gab Prof. Havemann bekannt, dass er lt. Brief des Staatssekretärs Prof. Gießmann23 von seiner Funktion an der Humboldt-Universität abberufen worden ist. (Offizielle Verlautbarungen darüber gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.) Von einem der Teilnehmer wurde daraufhin erklärt, für die Akademie sei noch lange nicht gültig, was für die Humboldt-Universität gelte. Prof. Rienäcker erklärte in diesem Zusammenhang, dass die Ernennung ja noch durch das Plenum der DAW und durch den Ministerrat bestätigt werden müsste und dass deshalb die Einreichung der Vorschläge »nicht so schlimm« sei. Die Klasse hat daraufhin beschlossen, Havemann, Müller,24 Müller-Stoll, Stather25 und Weiss26 als ordentliche Mitglieder vorzuschlagen. Nach dieser Beschlussfassung erfolgte durch Prof. Rienäcker, der während der Sitzung ein persönliches Gespräch mit Prof. Hartke hatte, die Mitteilung, warum Prof. Havemann von der Humboldt-Universität entlassen worden ist (Interview). Prof. Thilo sprach daraufhin seine Verwunderung über die schnelle Entscheidung des Staatssekretärs für Hoch- und Fachschulwesen aus, wobei er die Frage aufwarf, ob denn eine derartige Entscheidung ohne ein ordentliches Disziplinarverfahren möglich sei, was er bezweifelte. Über das Interview, das zur Abberufung Prof. Havemanns angeführt worden sei, wäre er, Prof. Thilo, bereits durch den Westrundfunk informiert gewesen.

In einem Gespräch am 14.3.1964 teilte der Präsident der DAW, Prof. Hartke, dem Sekretar27 der Klasse für Chemie, Prof. Lehmann, mit, die Klasse Chemie sollte ihren Vorschlag, Prof. Havemann zum ordentlichen Mitglied zu ernennen, zurücknehmen. Prof. Lehmann erklärte sich damit einverstanden und will dies auf der nächsten Tagung am 26.3.1964 der Klasse unterbreiten. Auf dieser Sitzung werden durch Bestätigung des Protokolls der Tagung vom 12.3.1964 auch die Vorschläge erst rechtskräftig.

Wie nachträglich noch bekannt wurde, soll in der erwähnten Beratung der Parteigruppe des Präsidiums der DAW Prof. Hartke die Bedenken von Prof. Stern mit der Frage neutralisiert haben, ob eine Zurücknahme des Vorschlages mit dem Statut der DAW in Einklang zu bringen sei. Daraufhin habe Prof. Rompe vorgeschlagen, den Genossen Robert Dewey28 zum Genossen Hörnig29 ins ZK der SED zu schicken, um diese Angelegenheit zu klären. Obwohl D. ins ZK fuhr, habe er diese Angelegenheit dort nicht geklärt.

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    19. März 1964
    Einzelinformation Nr. 229/64 über einen Zugzusammenstoß am 19. März 1964 auf dem Bahnhof Großkorbetha, [Bezirk] Halle

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    19. März 1964
    Einzelinformation Nr. 220/64 über beabsichtigte Maßnahmen der Westberliner SPD und des Senats gegen das Deutschlandtreffen der Jugend zu Pfingsten in Berlin