Tagung der Teilsynode der EKD in Halle
8. Oktober 1968
Einzelinformation Nr. 1112/68 über die Tagung der Teilsynode der sogenannten Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vom 2. bis 4. Oktober 1968 in Halle
Die Tagung der Teilsynode der »EKD« fand vom 2. bis 4.10.1968 im evangelischen Diakonissenhaus in Halle statt. An dieser Tagung, die durch Präses Figur1/Berlin eröffnet und geleitet wurde, nahmen neben den eingeladenen Synodalen der evangelischen Kirche der DDR alle Bischöfe der evangelischen Landeskirchen teil. (Bischof Mitzenheim2/Thüringen reiste wegen seiner Teilnahme am Parteitag der CDU3 einen Tag später an.)
Superintendent Figur/Vizepräses der Synode der »EKD« wies bei Eröffnung der Tagung in Halle darauf hin, dass es sich bei dieser Synodaltagung im Gegensatz zu früheren Synoden um eine reine »Informationstagung« handele. Gleichzeitig gab er bekannt, dass die Teilsynode für die evangelischen Landeskirchen Westdeutschlands und Westberlins vom 6. bis 11.10.1968 in Westberlin stattfinden würde. Zwischen den einzelnen Teilsynoden würden jedoch erstmals weder thematische noch organisatorische Zusammenhänge bestehen. Es gebe deshalb keine gemeinsamen Richtlinien oder gemeinsame Arbeitsformen.
Als Tagesordnung für die sogenannte Informationstagung in Halle gab Superintendent Figur bekannt:
- 1.
Behandlung von Strukturfragen für die evangelischen Kirchen in der DDR;
- 2.
Informationsberichte über die Tagung des Weltkirchenrates in Uppsala.4
Nach Bekanntgabe der Tagesordnung teilte Figur den Synodalen mit, dass er in Vorbereitung dieser Tagung eine Aussprache mit Staatssekretär Seigewasser5 gehabt habe. Staatssekretär Seigewasser habe bei dieser Aussprache erklärt, dass die staatlichen Organe die Tagung der Teilsynode in Halle zur Kenntnis nehmen, dass es sich jedoch um keine »EKD«-Synode in der bisherigen Form handeln könne. Figur führte aus, es habe diese Erklärung des Staatssekretärs zur Kenntnis genommen, und man müsse sich in der folgenden Zeit unbedingt mit Strukturfragen beschäftigen, um hier endlich zu einer Lösung zu gelangen. (Unter Strukturfragen wird die künftige Organisationsstruktur der Gliedkirchen der evangelischen Kirchen der DDR verstanden. Mit dieser Thematik befasst sich eine sogenannte Strukturkommission der »EKD«, die nach Annahme der sozialistischen Verfassung der DDR durch die Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR gebildet worden war.)
Im Anschluss an die Ausführungen von Figur ergriff Präsident Johannes6/Dresden das Wort und behandelte eine Reihe von juristischen Fragen hinsichtlich eines geplanten »Bundes der evangelischen Kirchen in der DDR«. Johannes verwandte als Grundlage für seine Ausführungen eine von der sogenannten Strukturkommission erarbeitete Satzung für einen »Bund der evangelischen Kirchen in der DDR« und ging auf eine Reihe von geplanten Arbeitsformen bzw. Arbeitsgremien des beabsichtigten »Bundes« ein.
Dabei zog er u. a. die Schaffung einer »Beratenden Versammlung« für die Konferenz der Kirchenleitungen der DDR sowie die Schaffung eines einheitlichen Sekretariats in Erwägung.
Nach Erläuterung dieser juristischen Probleme im Zusammenhang mit dem geplanten »Bund« sprach Oberkonsistorialrat Ringhandt7/Berlin zu den theologischen Problemen, die vor dem »Bund« stehen würden. Diese Ausführungen betrafen rein theologische Fragen, wie zukünftige Regelung der Taufe, der Abendmahlsgemeinschaft usw. zwischen den uniierten, lutherischen und reformierten Kirchen.
Die Diskussion im Plenum und in den Ausschüssen zu den sogenannten Strukturfragen war sehr lebhaft, jedoch beteiligten sich bei diesen Auseinandersetzungen lediglich die Theologen unter den Synodalen. Seitens der Laiensynodalen erfolgten im Plenum keinerlei Beiträge.
Als besondere Fürsprecher für die Beibehaltung der bestehenden Situation, d. h. Beibehaltung der bisherigen Struktur im Rahmen der »EKiD« traten Präsident Hildebrandt8/Berlin und Superintendent Steinlein9/Finsterwalde in Erscheinung. Hildebrandt und Steinlein bezeichneten das Festhalten an der »Einheit der EKiD« in der bisherigen Form als ein prinzipielles Problem. Ihre Ausführungen erhielten teilweise lebhaften Beifall, wurden jedoch durch keine weiteren Diskussionsbeiträge ergänzt bzw. unterstützt.
Eine weitere Gruppe bei dieser Strukturdiskussion bildeten die Synodalen
- –
Schönherr10/Bischof der evangelischen Landeskirche von Berlin-Brandenburg,
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Fränkel11/Bischof des Konsistorialbezirkes Görlitz,
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Ringhandt/Oberkonsistorialrat, Mitglied der Kirchenleitung von Berlin-Brandenburg,
- –
Johannes/Präsident des Landeskirchenamtes in Dresden.
Ohne die Ausführungen von Hildebrandt und Steinlein abzuschwächen, versuchten sie den Eindruck hervorzurufen, für eine »ausgleichende« Lösung einzutreten. Von den Sprechern dieser Gruppe wurde hervorgehoben, dass eine Beibehaltung der »bisherigen Form der EKD« nicht länger möglich sei. Besonders Präsident Johannes drängte in seinem Diskussionsbeitrag sehr darauf, eine baldige und »befriedigende Klärung der Strukturfragen« für die evangelischen Landeskirchen in der DDR zu schaffen.
Bei der Diskussion über Strukturfragen in den Ausschüssen traten im Gegensatz zur Plenumsdiskussion die Laien mehr in Erscheinung. Dabei wurde ersichtlich, dass es unter den Laiensynodalen keine konkrete Vorstellung von strukturellen Veränderungen für die evangelischen Landeskirchen in der DDR gibt und diesbezüglich auch keine konkreten Vorschläge erfolgten. Die allgemeine Vorstellung von zahlreichen Laiensynodalen bestand darin, die Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR beizubehalten und weiter auszubauen.
Als Ergebnis der Beratungen in den Ausschüssen der Tagung wurde empfohlen, die endgültige Entscheidung über strukturelle Veränderungen von den Herbst- bzw. Frühjahrssynoden der einzelnen Landeskirchen in der DDR vornehmen zu lassen. Ein allgemeiner Termin für eine Vorentscheidung soll der 15. November 1968 sein. Bis dahin soll jede Landeskirche sich eine vorläufige Meinung zu dem Entwurf einer Satzung für den »Bund der evangelischen Kirchen in der DDR« erarbeitet haben.
Nach der Diskussion in den Ausschüssen erfolgte ein Vortrag von Oberkirchenrat von Brück12/Dresden über die Vollversammlung des Weltkirchenrates in Uppsala.13 Oberkirchenrat von Brück gab einen allgemeinen Überblick über den Verlauf dieser Tagung und widmete sich dann einer Reihe von theologischen Problemen, insbesondere der Rolle der Kirchen gegenüber den sogenannten Entwicklungsländern. Seine Ausführungen enthielten keine politischen Aspekte.
Das ursprünglich vorgesehene zweite Referat über Uppsala, das Oberkirchenrat Braecklein14/Eisenach halten sollte, wurde von der Tagesordnung abgesetzt. Bei Abschluss der Tagung drückten zahlreiche Synodale über den Umstand, dass durch die Tagung in Halle zu den Strukturfragen keine Einstimmigkeit erzielt wurde, ihre Enttäuschung aus.
Diese Information darf wegen Quellengefährdung nicht öffentlich ausgewertet werden.
N.S: Vom MfS wird vorgeschlagen, seitens der zuständigen staatlichen Organe eine systematischere Zusammenarbeit mit den Laiensynodalen zu organisieren, mit dem Ziel, diese – z. B. besonders auch in Vorbereitung der Herbstsynoden der evangelischen Kirchen und der damit bevorstehenden Aussprachen über die zukünftige Organisationsstruktur der evangelischen Landeskirchen der DDR – im Sinne der Kirchenpolitik der DDR zu beeinflussen.