Adoptionen und Vormundschaften von Kindern ausgereister DDR-Bürger
22. Juni 1977
Information Nr. 417/77 über die Sachlage und die konkreten Zusammenhänge von erfolgten Adoptionen sowie verfügten Vormundschaften bei Kindern, deren leibliche Eltern oder Elternteile die DDR verlassen haben
Durch das MfS wurden bezüglich der erfolgten rechtskräftigen Entscheidungen seitens der zuständigen staatlichen Organe zu den Kindern der Ehepaare Grübel und [Name 1] und der weiblichen Personen Püschel (jetzt Yonan), [Name 2] sowie [Name 3] folgende Feststellungen getroffen:
1. Die Kinder der Eheleute Grübel, Ota, geb. am [Tag] 1969 und Jeanette, geb. am [Tag] 1970, wurden gemäß Beschluss des Organs der Jugendhilfe des Rates der Stadt Eisenhüttenstadt vom 19.11.1975 durch die Familie Klewin, Ulrich, geb. am [Tag] 1938, Diplom-Ing. für Geodäsie und Kartographie im Kombinat Geodäsie, und Klewin, Annemarie geb. [Name], geb. am [Tag] 1937, Facharbeiter für Vermessungstechnik im Kombinat Geodäsie, beide wohnhaft in Frankfurt/O., [Adresse], an Kindes statt angenommen und tragen auch deren Namen.1
Die leiblichen Eltern beider Kinder Grübel, Otto, geb. am [Tag] 1936, zuletzt Textilverkäufer im HO-Industriewaren Berlin […], und Grübel, Bärbel, geb. am [Tag] 1949, zuletzt ohne Beschäftigung, beide wohnhaft gewesen in Berlin-Mitte, [Adresse], gegenwärtig wohnhaft: 1 Berlin (West) 49, [Adresse], waren am 5.8.1973 bei dem Versuch festgenommen worden, unter Mitnahme ihrer damals zwei und vier Jahre alten Kinder Jeanette bzw. Ota die DDR ungesetzlich zu verlassen.
Nach Durchführung einer Berufungs- sowie Kassationsverhandlung vor dem Stadtgericht Berlin bzw. dem Obersten Gericht der DDR wurden Grübel, Otto, und Grübel, Bärbel, am 11.11.1974 durch das Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte zu einer Freiheitsstrafe von je zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt.
Während des in diesem Zusammenhang geführten Ermittlungsverfahrens wurde zweifelsfrei nachgewiesen, dass bereits am 3.8.1973 das Ehepaar Grübel einen Versuch unternahm, die DDR ungesetzlich zu verlassen. In beiden Fällen wurden den mitgeführten Kindern durch die Kindesmutter mit Zustimmung ihres Ehemannes zur erfolgreichen Durchführung ihrer strafbaren Handlung […] Psychopharmaka […] verabreicht. (Eingabe von »Faustan«2 […])
Auf der Grundlage dieses Sachverhaltes war durch das zuständige Organ der Jugendhilfe beim Rat des Stadtbezirkes Berlin-Mitte am 15.11.1973 Klage gegen die Eheleute Grübel eingereicht und der Antrag gestellt worden, ihnen aufgrund dieses verantwortungslosen Verhaltens und ihrer Absicht, die Kinder aus den gewohnten sozialen Verhältnissen in der DDR herauszulösen, das Erziehungsrecht zu entziehen. Gegen diese Klage wandten sich im Januar bzw. Februar 1974 sowohl die Eheleute Grübel als auch der von ihnen bestellte Rechtsanwalt mit der Behauptung, die […] angewandten Psychopharmaka […] seien ungefährlich.
Im Ergebnis der am 23.5.1974 vor dem Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte geführten erstinstanzlichen Verhandlung wurde mit Zustimmung aller Prozessparteien die Einholung eines diesbezüglichen fachärztlichen Gutachtens über die den Kindern verabreichten Mittel festgelegt. Laut diesem Gutachten [wird] die Verabreichung von »Faustan« als rezeptpflichtiges Präparat ohne ärztliche Anordnung […] als »bedenkenloses und verantwortungsloses Verhalten« seitens der Eltern gekennzeichnet. Durch den Gutachter wurde der Umstand als erschwerend eingeschätzt, dass es sich bei den Eltern um medizinische Laien ohne Kenntnis über die möglichen Auswirkungen und Folgen der zur Anwendung gelangten Mittel handelte.
Ausgehend von den gutachterlichen Feststellungen wurde im Ergebnis der am 20.6.1974 vor dem Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte geführten Verhandlung in Anwesenheit des Ehepaars Grübel sowie dessen Rechtsbeistand entschieden, ihnen das Erziehungsrecht für die Kinder Ota und Jeanette abzusprechen. Auch eine durch Rechtsanwalt der Eheleute Grübel gegen dieses Urteil angestrengte Kassation beim Präsidenten des Obersten Gerichtes der DDR wurde nach eingehender Prüfung am 13.5.1975 abgelehnt. In Kenntnis dieser Rechtslage erklärten sich die Eheleute Grübel am 20.5.1975 gegenüber dem staatlichen Notariat der DDR zur Unterhaltszahlung an die Kinder Ota und Jeanette bereit.
Am 21.5.1975 wurden Grübel, Otto und Bärbel, entsprechend einem von ihnen gestellten Antrag aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen und ihnen die Ausreise in die BRD gestattet. Zuvor war ihnen durch die zuständigen Rechtspflegeorgane die Rechtslage eingehend erläutert worden mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass ihnen bei einem Verbleib in der DDR und entsprechender Führung das Erziehungsrecht für ihre Kinder wieder zugesprochen werden kann. Weiter wurde ihnen erläutert, dass eine Übersiedlung in die BRD und die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR eine endgültige Trennung von den Kindern bedeute.
In Kenntnis dieser bestehenden Rechtslage […] beharrte das Ehepaar Grübel auf ihren Übersiedlungsanträgen und reiste am 21.5.1975 in die BRD aus.
Im Zusammenhang mit der Inhaftierung des Ehepaares Grübel im Jahr 1973 erfolgte die Unterbringung beider Kinder zunächst in einem staatlichen Kinderheim. Seit dem 24.2.1975 sind sie bei der Familie Klewin wohnhaft.
Durch die Adoption beider Kinder hat die kinderlose Ehe der Familie Klewin einen neuen Inhalt erhalten. Beide Eltern haben sowohl im Arbeits- als auch im Freizeitbereich einen guten Leumund und erziehen ihre Kinder bewusst im sozialistischen Sinn. Es besteht ein echtes und harmonisches Eltern-Kind-Verhältnis. Beide Kinder erkennen ihre neuen Eltern voll an. Die Familie Klewin ist aufopferungsvoll um das Wohlergehen der Kinder bemüht. So hat z. B. Frau Klewin nach der Adoption der Kinder zeitweilig ihr Arbeitsverhältnis aufgegeben, um sie schneller an die Familie und die neue Umgebung zu gewöhnen. Beide Elternteile unternehmen große Anstrengungen zur Unterstützung ihres Sohnes Ota bei der Bewältigung der schulischen Aufgaben […] Familie Klewin hat darüber hinaus Einladungen von jahrelangen Bekannten abgelehnt mit der Begründung, dass sie beide Kinder nicht ohne Aufsicht lassen möchten.
Im Zusammenhang mit der von westlichen Massenmedien geführten Kampagne zum Thema »Zwangsadoption«, dem Erscheinen des »Spiegel«-Journalisten Schwarz bei der Familie Klewin und weiterer diesbezüglicher Aktivitäten wurde die Familie Klewin stark verunsichert.3 Frau Klewin erklärte wiederholt, dass sie alles tun werde, um die Kinder zu behalten, ein Leben ohne sie wäre für beide Ehepartner unvorstellbar. Inzwischen hat sich mit Hilfe und Unterstützung der zuständigen staatlichen Organe die Familiensituation wieder normalisiert, wozu auch der aus vorbeugender Sicht Anfang dieses Jahres vollzogene Umzug der Familie Klewin von Eisenhüttenstadt nach Frankfurt/O. beigetragen hat.
Durch die in Westberlin wohnhaften Eheleute Grübel wurden seit Ende 1975 massive öffentlichkeitswirksame Aktivitäten unternommen, die staatlichen Organe der DDR im Zusammenhang mit der erfolgten Adoption der Kinder Ota und Jeanette unter Druck zu setzen und die Übergabe der Kinder zu erzwingen. Besonders in den Publikationsorganen der Springer-Presse,4 im ARD-Fernsehen,5 in der Zeitschrift »Der Spiegel«,6 im SFB-Hörfunk, aber auch durch solche Massenmedien wie die USA-Nachrichtenagentur AP7 sowie die englische Zeitschrift »Sunday-Express«8 erfolgten mit unterschiedlicher Intensität zu diesem »Fall« Veröffentlichungen. Auch die sogenannte Gesellschaft für Menschenrechte9 beteiligt sich aktiv an dieser Kampagne und hat z. B. im April dieses Jahres eine »Dokumentation über einige Fälle von bereits abgeschlossenen oder zu befürchtenden Zwangsadoptionen in der DDR«10 herausgegeben, in deren Anhang sich u. a. ein separates Flugblatt, »den Fall« der Kinder Ota und Jeanette Grübel betreffend, befindet, da »die Kinder der Eheleute Grübel leider nicht mehr in die Dokumentation aufgenommen werden konnten«.
[Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben.]
2. Das Kind [Name 4 (durch Adoption erhaltener Name), Vorname 1] (vormals [Name 1]), geb. am [Tag] 1967, wurde lt. Beschluss des Organs der Jugendhilfe des Rates des Kreises [Ort 1] vom 20.6.1974 dem Ehepaar [Name 4, Vorname 2], geb. am [Tag] 1940, tätig als Fleischer in der Konsumgenossenschaft [Ort 1], und [Name 4, Vorname 2, Geburtsname], geb. am [Tag] 1935, tätig als Verkäuferin im Konsum-Kaufhaus [Ort 1], beide wohnhaft in [Ort 1, Adresse], an Kindes statt übergeben.
Bei den leiblichen Eltern des Kindes [Vorname Name 4] handelt es sich um die ehemaligen Bürger der DDR [Name 1, Vorname 2], geb. am [Tag] 1946, zuletzt Kraftfahrer bei der Konsumgenossenschaften [Ort 2] […], in der BRD beschäftigt als Kraftfahrer bei der Firma [Name], und [Name 1, Vorname 3, Geburtsname], geb. am [Tag] 1949, zuletzt ohne Beschäftigung, in der BRD als Angestellte bei der [Einrichtung] tätig, beide wohnhaft gewesen in [Ort 1, Adresse], beide gegenwärtig wohnhaft in [PLZ, Ortsteil, Ort] (BRD), [Adresse].
[Name 2 (Ehemann)] verließ am 4.5.1968 ungesetzlich die DDR. Am 18.5.1968 wurde die Ehefrau des [Name 2] beim Versuch festgenommen, die DDR ebenfalls ungesetzlich zu verlassen. Die Kinder [Vorname 4], geb. am [Tag] 1965, [Vorname 5], geb. am [Tag] 1966, [Vorname 1 (adoptiertes Kind)], geb. am [Tag] 1967, wurden von ihr unbeaufsichtigt in der Wohnung zurückgelassen, was erst am darauffolgenden Tag von Wohnungsnachbarn bemerkt worden war. [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben.]
Nachdem die [Name 1] am 19.12.1968 vorzeitig aus der Haft entlassen worden war, reiste ihr Ehemann am 24.12.1968 mit gefälschten Personaldokumenten in die DDR ein und versuchte, seine Ehefrau und die Kinder [Vorname 4] und [Vorname 5] mittels Lkw aus der DDR auszuschleusen.
[Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben.]
Am 19.2.1970 verurteilte das Bezirksgericht Potsdam den [Name 1] gemäß § 105 StGB – staatsfeindlicher Menschenhandel – zu fünf Jahren, sechs Monaten und dessen Ehefrau zu zwei Jahren, sechs Monaten Freiheitsentzug.11 Das Gericht stellte fest, dass der […] [Name 1] ein Feind der DDR ist und die Motive des ungesetzlichen Verlassens der DDR sowie der versuchten Ausschleusung unter den geschilderten Umständen in seiner feindlichen Einstellung zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung begründet liegen.
Am 14.5.1971 stellte [Name 1] für sich, seine Ehefrau und die drei Kinder Antrag auf Übersiedlung nach der BRD. Entsprechend diesem Antrag wurde [Name 1] nach Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR am 4.6.1971 und seine Ehefrau am 19.9.1971 aus dem Strafvollzug nach der BRD ausgewiesen.
Dem Antrag auf Übersiedlung der Kinder wurde zum damaligen Zeitpunkt nicht stattgegeben, da sich sowohl die Mutter des [Name 1] als auch die Familie [Name 4] in Eingaben an das Ministerium für Volksbildung, Abteilung Jugendhilfe und Sonderschulwesen, dagegen aussprachen. Durch das Organ der Jugendhilfe des Rates des Kreises [Ort 1] wurde die Mutter des [Name 1] mit der Pflegschaft der Kinder [Vorname 4] und [Vorname 5] beauftragt und die Familie [Name 4] – welche [Vorname 1] bereits seit dem ersten Lebensjahr betreut – erhielt am 25.5.1971 die Vollmacht, dieses Kind in Pflege zu nehmen.
Aus einer danach (19.8.1971) von Frau [Name 4] an den 1. Sekretär des ZK der SED gerichteten Eingabe geht hervor, dass Frau [Name 1] bereits am 23.12.1968 an Frau [Name 4] mit der Bitte herangetreten ist, das Kind [Vorname 1] an Kindes statt anzunehmen. Auch der Kindesvater hatte dagegen keine Einwände. (Ein diesbezügliches Ersuchen der [Name 1] liegt schriftlich vor.)
Am 13.6.1974 stellte das Ehepaar [Name 4] den Antrag zur Annahme [von Vorname 1] an Kindes statt. Diesem Antrag hat das Organ der Jugendhilfe des Rates der Stadt [Ort 1] am 20.6.1974 entsprochen, wobei die Einwilligung der Kindeseltern durch das rechtskräftige Urteil des Kreisgerichtes [Ort 1] vom 8.4.1974 ersetzt wurde.
[Name 1] ermächtigte im Oktober 1976 die sogenannte Gesellschaft für Menschenrechte, die »Interessen seiner Familie« bezüglich [Vorname 1 Name 4] zu »vertreten«. [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben.]
Die Kinder [Vorname 4] und [Vorname 5] wurden am 10.7.1974 zu ihren in der BRD lebenden erziehungsberechtigten Eltern übersiedelt, nachdem der Rat des Kreises [Ort 1] am 13.1.1974 einen diesbezüglichen Antrag gestellt hatte, da die mit der Pflegschaft beauftragte Mutter des [Name 1] aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, für beide Kinder zu sorgen. Ursprünglich war der Antrag auf Übersiedlung nach der BRD auch für [Vorname 1] gestellt worden. Im Ergebnis eines Einspruches des Ministeriums für Volksbildung verblieb sie jedoch in der DDR.
Die Eheleute [Name 4] gehören beide der SED an und beteiligen sich aktiv an der gesellschaftspolitischen Arbeit. Sie verfügen über gute erzieherische Qualitäten, fördern [Vorname 1] insbesondere durch ihre persönliche Vorbildwirkung allseitig und erziehen sie im Sinne unserer sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung. In ihrem nunmehr bereits neunjährigen gemeinsamen Zusammenleben mit [Vorname 1] hat sich ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis entwickelt. ([Vorname 1] kennt weder ihre leiblichen Eltern noch deren Verwandte.) Durch die intensive Fürsorge und gute Erziehung seitens der Adoptiveltern hat [Vorname 1] sowohl in der Schule als auch in der Pionierorganisation eine äußerst positive Entwicklung genommen. Ihre schulischen Leistungen sind sehr gut (Klassenbeste) und sie beteiligt sich aktiv an der gesellschaftlichen Arbeit innerhalb der Pionierorganisation.
3. Die Püschel, Gabriele (jetzt Yonan), geb. am [Tag] 1944, ohne erlernten Beruf, wohnhaft gewesen in 1055 Berlin, [Adresse], hat am 30.8.1968 unter gewissenloser Zurücklassung ihres damals 22 Monate und jetzt zehn Jahre alten unehelichen Sohnes Aristoteles die DDR ungesetzlich verlassen. Sie hinterließ das Kind bei ihren damals 68- bzw. 55-jährigen Eltern, obwohl ihr bekannt war, dass diese aufgrund ihres Alters, des Gesundheitszustandes und der wirtschaftlichen Lage das Kind nicht ordnungsgemäß versorgen konnten. Zur finanziellen Unterstützung war den Großeltern aus dem Staatshaushalt Pflegegeld bereitgestellt worden. Im Sommer 1969 verließen auch die Großeltern unter Zurücklassung des in ihrer Pflege befindlichen, noch nicht dreijährigen Kindes ungesetzlich die DDR. Das Kind Aristoteles hatten die Großeltern einer DDR-Bürgerin überlassen, die jedoch keine Gewähr für eine ordnungsgemäße Erziehung und Betreuung des Kindes bot. Die Kindesmutter selbst hatte sich bis zu dieser Zeit in keiner Weise um das Wohl, die Entwicklung und den Unterhalt ihres Kindes bemüht.12
Aufgrund dieser Situation wurden durch die zuständigen Organe der Jugendhilfe Maßnahmen zur Pflegschaft des Kindes getroffen. Nach einem kurzzeitigen Heimaufenthalt im Kinderheim Königsheide wurde das Kind im November 1969 in die häusliche Pflege einer dazu geeigneten Familie übergeben. Etwa zu diesem Zeitpunkt, d. h. nach weit über einem Jahr des gewissenlosen Verlassens ihres Kleinkindes, beauftragte die Püschel einen Rechtsanwalt in der DDR, sich für eine Übersiedlung des Kindes nach Westberlin einzusetzen, dem jedoch nicht stattgegeben wurde, da hierzu keinerlei Rechtsgrundlage bestand. Da sich zwischenzeitlich das Kind bei den Pflegeeltern gut eingelebt hatte und enge soziale Bindungen entstanden, beantragten diese die Adoption des Kindes.
Durch das Organ der Jugendhilfe des Rates des Stadtbezirkes Berlin-Treptow war die Befragung der Mutter des Kindes hinsichtlich ihrer Einwilligung zur Adoption veranlasst worden, was von dieser jedoch abgelehnt wurde. Aufgrund dieser Sachlage wurde am 15.2.1971 beim Stadtbezirksgericht Berlin-Treptow Klage erhoben und angestrebt, die Einwilligung der Mutter zur Annahme ihres Sohnes Aristoteles an Kindes statt durch ein dementsprechendes Gerichtsurteil zu ersetzen. Mit Urteil vom 11.5.1972 des Stadtbezirksgerichtes Berlin-Treptow wurde der Püschel-Yonan das Sorgerecht für ihren Sohn entzogen.
Bei der Urteilsfindung war das Gericht davon ausgegangen, dass die Kindesmutter selbst ihr Kind ohne ausreichende Sicherstellung verlassen hatte, ihre persönlichen, egoistischen Interessen in den Vordergrund gestellt und die ihr obliegenden Pflichten nach dem ungesetzlichen Verlassen der DDR nicht wahrnahm sowie sich gleichgültig gegenüber der Entwicklung ihres Kindes verhielt. Außerdem war die Annahme an Kindes statt beantragt und es hätte dem Wohl des Kindes entgegengestanden, wenn der durch die Abwesenheit der Kindesmutter entstandenen Rechtsgrundlage nicht Rechnung getragen worden wäre.
Das Urteil wurde am 22.7.1972 rechtskräftig. Weder von der Kindesmutter noch von dem von ihr benannten Prozessbevollmächtigten wurde gegen das Urteil Berufung eingelegt. Am 20.9.1972 wurde die Kindesmutter brieflich darüber informiert, dass ihr laut Gerichtsbeschluss das Sorgerecht für ihr Kind entzogen wurde. Auch auf dieses Schreiben erfolgte von der Kindesmutter keine Reaktion. Eine erste Reaktion der Kindesmutter auf die erfolgte Adoption wurde bekannt, als dieses »Beispiel« im Zusammenhang mit der massiven und gezielten Hetzkampagne gegnerischer Kräfte zur Einmischung in innere Angelegenheiten der DDR genannt wurde.
In der Folgezeit hat die Püschel-Yonan weitere Aktivitäten entwickelt, um mithilfe westlicher Massenmedien und feindlicher Organisationen, wie der Gesellschaft für Menschrechte, das Thema »Zwangsadoptionen« in der DDR hochzuspielen und damit einen Druck auf die Regierung der DDR auszuüben. In ihrem Verhalten und Auftreten bringt sie offen ihre Feindschaft zur DDR zum Ausdruck. Wie dem MfS bekannt wurde, ist sie inzwischen selbst zu einem aktiven Mitglied der Gesellschaft für Menschenrechte avanciert und »leitet« eine sogenannte Arbeitsgruppe für »Zwangsadoptionen«.
Das Kind Püschel, Aristoteles, wurde entsprechend des Beschlusses des Organs der Jugendhilfe des Rates des Stadtbezirkes Berlin-Treptow vom 31.8.1972 von den Eheleuten Grahm, Werner, geb. am [Tag] 1931, Ingenieur beim Militärverlag der DDR,13 und Grahm, Christel, geb. am [Tag] 1929, Lehrerin an der 4. Oberschule Berlin-Treptow, beide wohnhaft in 1195 Berlin, [Adresse], an Kindes statt angenommen und trägt seitdem den Namen Grahm, Arne. Die Eheleute Grahm hatten das Kind seit November 1969 zur Pflege.
Vom zuständigen Organ der Jugendhilfe wird eingeschätzt, dass sich das Kind in der Familie sehr gut entwickelt hat. Es erkennt die Ehegatten Grahm als seine Eltern an und es besteht ein echtes und inniges Eltern-Kind-Verhältnis. Auch in der Schule sowie in der Pionierorganisation nimmt das Kind Arne eine gute Entwicklung. Die Eheleute Grahm (beide sind Mitglieder der SED) werden als bewusste und fortschrittliche Staatsbürger eingeschätzt, die in der Lage sind, und das auch bereits seit acht Jahren bewiesen haben, das Kind im sozialistischen Sinne zu erziehen.
4. Die Mutter der Kinder [Name 2, Vorname 1], geb. am [Tag] 1964, und [Name 2], (jetzt [Name 6]) [Vorname 2], geb. am [Tag] 1974, [Name 2, Vorname 3], geb. am [Tag] 1938, Beruf: Speditionskaufmann, zuletzt ohne Beschäftigung, wohnhaft gewesen in [Ort 3, Adresse], wurde am 24.10.1973 durch das Kreisgericht [Ort 3] […] zu zehn Monaten Freiheitsentzug verurteilt.
Die [Name 2] hielt sich von 1959 bis 1961 in der BRD auf. Nach ihrer Rückkehr in die DDR war sie in elf verschiedenen Betrieben u. a. als Sekretärin, Schreibkraft, Verkäuferin, Küchenhilfe und Fahrkartenverkäuferin tätig. Seit Anfang 1973 blieb sie […] der Arbeit fern […] Mehrere mit ihr seitens zuständiger staatlicher Organe geführte Aussprachen mit dem Ziel, sie zur Wiederaufnahme einer geregelten Arbeit zu bewegen, wurden von der [Name 2] negiert. Die ihr vermittelten Tätigkeiten nahm sie nicht auf. Mit dieser Handlungsweise wollte sie ihre 1971 widerrechtlich beantragte Übersiedlung in die BRD erzwingen.
Am 27.9.1973 beantragte die [Name 2] beim Organ der Jugendhilfe des Rates der Stadt [Ort 3] die Einweisung ihres […] Kindes, [Name 2, Vorname 1], in ein Kinderheim mit der Begründung, weder für sie noch das Kind Bargeld und Nahrungsmittel für den weiteren Lebensunterhalt zu besitzen. Vom Organ der Jugendhilfe wurden daraufhin sofort entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Zwischenzeitlich hatte jedoch die [Name 2] das Kind bei einer Verwandten untergebracht, der sie ihre tatsächliche soziale Lage verschwieg. Diese Anschrift verheimlichte sie dem Organ der Jugendhilfe, sodass die zuständigen staatlichen Organe Maßnahmen zum Auffinden des Kindes einleiten mussten. Im Ergebnis der Maßnahmen erfolgte die Einweisung des Kindes [Vorname 1] in das Kinderheim [Name] in [Ort 4].
Bis zu ihrer Verurteilung im Oktober 1973 weigerte sich die [Name 2] weiterhin hartnäckig, eine Tätigkeit aufzunehmen. Sie bemühte sich auch nicht, in der Zeit der wegen einer erneuten Schwangerschaft ausgesetzten Strafverbüßung bis zur Geburt des zweiten außerehelichen Kindes, [Name 2, Vorname 3], ihren Lebenswandel zu ändern und für dieses Kind annehmbare gesicherte häusliche Verhältnisse zu schaffen, sodass am 22.7.1974 die Strafverbüßung angeordnet werden musste. Das Kind [Vorname 3] wurde in das Dauerheim für Kleinkinder [Ort 3, Ortsteil] eingewiesen.
Auf Antrag des zuständigen Organs der Jugendhilfe wurde mit Urteil des Kreisgerichtes [Ort 3] vom 30.9.1974 der [Name 2] […] das Erziehungsrecht über die beiden minderjährigen Kinder entzogen und am 4.11.1974 die Vormundschaft angeordnet. Am 2.7.1975 erfolgte auf Antrag der [Name 2] deren Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR und ihre Übersiedlung nach der BRD […]
[Name 2, Vorname 1] befindet sich seit dem 4.10.1973 im Kreiskinderheim [Name] in [Ort 4]. Sie hat sich seitdem sehr gut entwickelt und besitzt eine positive Einstellung zu unserem Staat. Sie ist eine fleißige und zuverlässige Schülerin, ihre schulischen Leistungen sind sehr gut. In der Pionierorganisation übt sie die Funktion einer Freundschaftsratsvorsitzenden aus und ist außerdem Vorsitzende des Heimaktivs. Für ihre vorbildliche gesellschaftliche Arbeit und überdurchschnittlichen Lernergebnisse wurde [Vorname 1] anlässlich des Pioniergeburtstages 1975 mit einer Reise nach Leningrad ausgezeichnet. Auch zu anderen Anlässen erhielt sie für ihre gute Arbeit, ihre Hilfsbereitschaft und Kameradschaftlichkeit Auszeichnungen und Prämien. Seitens der Leitung des Kinderheimes ist vorgesehen, [Vorname 1] auf die Erweiterte Oberschule zu delegieren.
[Vorname 2 Name 2] war bis Januar 1975 im Dauerheim für Kleinkinder in [Ort 3, Ortsteil] untergebracht. Am 17.1.1975 wurde er mit dem Ziel der Adoption zu den Eheleuten [Name 6, Vorname 1], geb. am [Tag] 1942, Staatsanwalt beim Staatsanwalt [sic!] des Bezirkes [Ort 3] und [Name 6, Vorname 2], geb. am [Tag] 1944, beide wohnhaft in Rostock-Warnemünde, [Adresse], in Pflege gegeben.
Am 18.7.1975 wurde für [Vorname 3] die Pflegschaft angeordnet […] Auf Beschluss des Organs der Jugendhilfe des Rates der Stadt Rostock vom 25.8.1976 ist dem Antrag der Eheleute [Name 6] auf Aufnahme14 an Kindes statt entsprochen worden. Das Kind trägt seitdem den Namen [Vorname 2 Name 6]. Beide Eheleute bieten die Gewähr, dass das Kind im sozialistischen Sinne zu einem bewussten Staatsbürger der DDR erzogen wird.
5. Die Mutter des Kindes [Name 7, Vorname 1], geb. am [Tag] 1969, zzt. Kinderheim [Name], [PLZ, Ort, Adresse], [Name 8, Vorname 1, Geburtsname], gesch. [Name 9], gesch. [Name 7], geb. am [Tag] 1946, Beruf: Industriekaufmann, wurde im Dezember 1973 festgenommen bei dem Versuch, gemeinsam mit ihrem Kind über die ČSSR die DDR ungesetzlich zu verlassen. Nach Abschluss der Untersuchungen wurde die [Name 8] durch das zuständige Kreisgericht zu zehn Monaten Freiheitsentzug verurteilt.
Das Kind [Vorname 1] wurde, da außer der 63-jährigen Pflegemutter der [Name 8] niemand vorhanden war, der es aufnehmen konnte, in ein Kinderheim eingewiesen. Am 1.4.1974 erfolgte auf Beschluss des Organs der Jugendhilfe des Rates des Stadtbezirkes [Ort 5, Stadtbezirk] die Anordnung der Heimerziehung für [Vorname 1]. In diesem Beschluss ist vermerkt, dass die [Name 8] ihre Tochter erst wieder in den Haushalt bekommt, wenn sie nach ihrer Haftentlassung eine Arbeitsstelle nachweisen kann […]
Während ihrer Haftzeit stellte die [Name 8] einen Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR und Übersiedlung nach der BRD. Diesem Antrag wurde am 24.7.1974 stattgegeben und es erfolgte ihre Ausweisung nach der BRD. Dort war sie teilweise unbekannten Aufenthalts und wechselte häufig ihren Wohnsitz.
Da der [Name 8] bei der Scheidung von dem Kindesvater, [Name 7, Vorname 2], das Erziehungsrecht für ihre Tochter [Vorname 1] zugesprochen worden war, versuchte das zuständige Organ für Jugendhilfe seit Dezember 1974 für die Betreuung und Erziehung des Kindes anteilige Kosten von ihr zu erhalten und setzte sich deshalb mit verschiedenen Jugendämtern in der BRD ([Ort 6, Ort 7, Ort 8]) in Verbindung. Aufgrund ihres ständigen Wohnungswechsels verstand sie es auch, sich notwendigen Amtshandlungen der BRD-Jugendämter zu entziehen. Im März 1975 wurde deshalb für ihre Tochter [Vorname 1] die Pflegschaft angeordnet, die vom Organ der Jugendhilfe des Rates des Stadtbezirkes [Ort 5, Stadtbezirk] wahrgenommen wird. Im Mai 1976 wurde schließlich durch die Gemeindeverwaltung [Ort 8] mitgeteilt, dass die [Name 8] nicht gewillt sei, einen Heimkostenbeitrag zu leisten und es außerdem ablehne, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen. Sie fordere die Übersiedlung des Kindes zu ihr in die BRD.
Aufgrund dieses Sachverhaltes kann gegenwärtig nicht eingeschätzt werden, in welchen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen die [Name 8] in der BRD lebt und ob sie überhaupt in der Lage wäre, das Kind [Vorname 1] (für das sie das Erziehungsrecht hat) ordnungsgemäß zu versorgen und zu erziehen. Vorliegende Einschätzungen und Beurteilungen über das Verhalten der [Name 8] vor ihrer Übersiedlung in die BRD lassen in dieser Hinsicht erhebliche Zweifel aufkommen. […]
[Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben.]
Das Kind [Name 8, Vorname 1], befindet sich seit dreieinhalb Jahren in Heimerziehung und besucht gegenwärtig in der Schule die 2. Klasse. Von der Heimleitung wird eingeschätzt, dass das Kind bisher eine positive Einwicklung genommen und sich gut in das Heimkollektiv eingelebt hat. In der Schule zählt sie zu den besten Schülern der Gruppe, sie ist diszipliniert und wird von ihren Mitschülern geachtet. Politischen Problemen steht [Vorname 1] entsprechend ihres altersmäßigen Erkenntnisstandes sehr aufgeschlossen gegenüber.
Regelmäßigen Kontakt unterhält das Kind zur Pflegemutter der [Name 8], Frau [Name 9], die es monatlich zwei- bis dreimal besucht. Der nichterziehungsberechtigte Vater des Kindes [Name 7, Vorname 2], geb. am [Tag] 1947, Beruf: Elektromechaniker, wohnhaft in [PLZ, Ort 9, Adresse], ist seit Juli 1975 in dritter Ehe verheiratet. Im Haushalt leben ein Kind [von Name 7] aus zweiter Ehe und ein in die Ehe mitgebrachtes Kind seiner jetzigen Ehefrau. Die familiären Verhältnisse werden als stabil und geordnet eingeschätzt. Charakterlich wird [Name 7] als ein ruhiger, ausgeglichener, stets freundlicher und hilfsbereiter Mensch beurteilt. Er hat eine positive Einstellung zu unserem Staat. Seine Arbeitsmoral und Disziplin werden als gut eingeschätzt.
[Name 7] zahlt seit 1974 anteilige Heimkosten für [Vorname 1]. Er hat sich in Schreiben an das Organ der Jugendhilfe bisher stets gegen eine eventuelle Übersiedlung des Kindes zur in der BRD lebenden Mutter ausgesprochen […]
Seit 1975 bekundet er die Absicht, [Vorname 1] in seine jetzige Familie aufzunehmen und stellte im November 1976 den Antrag, ihm das Erziehungsrecht für das Kind zu übertragen. Vom Organ der Jugendhilfe ist dieser Antrag entgegengenommen und ihm empfohlen worden, vorerst engere Kontakte zu dem Kind herzustellen, um es so auf eine mögliche Aufnahme in seine Familie vorzubereiten. Vom Organ der Jugendhilfe des Rates des Stadtbezirkes [Ort 5] ist in Erwägung gezogen, der [Name 8] auf dem Wege der Klage das Erziehungsrecht für das Kind [Vorname 1] abzuerkennen und es dem leiblichen Vater, [Name 7, Vorname 2], zu übertragen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass bei den in der Information behandelten Fällen eindeutige rechtliche Entscheidungen – zum Teil seit mehreren Jahren – seitens der zuständigen Organe der Jugendhilfe bzw. der Rechtspflegeorgane getroffen wurden. Veränderungen der Rechtslage wären nur in Abstimmung und mit Einverständnis aller an den Entscheidungen beteiligten staatlichen Organe und anderen Partner möglich.