Direkt zum Seiteninhalt springen

Lage nach dem Bau der Berliner Mauer (8)

24. August 1961
Bericht Nr. 482/61 über die Situation aufgrund der Schutzmaßnahmen der DDR

1. Gegnerische Pläne und Aktionen in Westberlin

Am 24.8.1961 wurde mit den vom Westberliner Senat beschlossenen Kontrollen aller die Übergänge in Richtung Westberlin passierenden Person begonnen.1 Zu diesem Zweck wurden in der Nähe einiger Übergangsstellen Zelte errichtet, wo Angehörige der Stupo und Kriminalpolizisten genaue Überprüfungen der nach Westberlin kommenden Personen vornehmen.

Angehörige der Westberliner Kriminalpolizei pendeln mit der U-Bahn zwischen den Bahnhöfen Reinickendorfer Str. und Kochstr., um festzustellen, welche Personen auf dem Bahnhof Friedrichstr. Zusteigen, um sie dann einer Vernehmung unterziehen zu können.

Ferner wurden von der Westberliner Polizei im Laufe des 24.8.1961 die Büros der SED-Kreisleitungen geschlossen.2

Gegen 20.00 Uhr wurde ein Bus, der die als Posten für die Ablösung beim sowjetischen Ehrenmal im Bezirk Tiergarten eingesetzten sowjetischen Soldaten beförderte, kurz nach Ausfahrt aus dem KP Friedrichstr. durch die dort stehende Menschenmenge am Weiterfahren gehindert. Durch Einsatz amerikanischer Militärpolizei wurde der Weg freigemacht und ein US-Jeep begleitete den Bus auf der Weiterfahrt. In der Siegesallee wurde der Bus von fünf Funkstreifenwagen der Stupo gestoppt und einer Kontrolle unterzogen. Diese offensichtlich geplante Provokation wurde von westlichen Reportern gefilmt.

Besonders in den Abendstunden des 24.8. wurden vom Gegner wieder Lautsprecherwagen eingesetzt, die auf Westberliner Seite die Grenze abfuhren – besonders gegenüber Friedrichstr./Zimmerstr., Heinrich-Heine-Straße/Elsenstr. – und Hetzsendungen verbreiteten. U. a. wurden als Hetzsendung zurechtgeschnittene gefälschte Auszüge aus der Rede Walter Ulbrichts3 (auf diese Absicht wurde bereits in einem früheren Bericht hingewiesen)4 und andere Hetze gesendet. Ferner wurde sinngemäß darauf hingewiesen, dass man die Anweisung des Innenministers der DDR, sich 100 m von der Grenze entfernt aufzuhalten, ignoriere. So hielten sich auch gegenüber dem KP Heinrich-Heine-Straße ca. 1 000 Personen in einer Entfernung von etwa 25 m auf, aber ohne dass von dieser Ansammlung andere Provokationen ausgelöst wurden.

Zu Provokationen kam es jedoch um 20.30 Uhr am KP 7 (Nordgraben), wo mehrere Jugendliche von Westberliner Seite aus unsere Posten mit Steinen bewarfen und im Bereich der Kompanie Glienicke-Nordbahn, wo gegen 18.00 Uhr die Posten der DGP und die beim Sperrenbau beschäftigten Arbeiter durch 30 bis 35 Zivilpersonen von westlicher Seite aus angepöbelt und mit groben Schimpfworten provoziert wurden. Als eine Reservegruppe der DGP zur Verstärkung eingesetzt wurde, erhöhten die Zivilpersonen ihre provokatorischen Beschimpfungen. Der Kompanieführer, Oltn. Domnitz, schoss deshalb einen MPi-Feuerstoß als Warnschuss in die Luft, worauf alle Provokateure flüchteten, einige Zeit später aber nochmals zurückkamen und ihre Provokation fortsetzten.

Zu weiteren Ansammlungen kam es ferner

  • um 11.15 Uhr am KP 43, wo Kressmann vor ca. 500 Personen sprach,

  • um 14.15 Uhr am KP 38 (ca. 900 Personen) und

  • 14.30 bis 15.45 am KP 45 (ca. 500 Personen), wo sich in beiden Fällen Brandt aufhielt.

Gegen 14.00 Uhr sammelten sich in Anwesenheit Stumms5 in der Nähe des KP Markgrafenstraße ca. 200 Personen an. Ebenfalls noch stark anhaltend waren Beeinflussungsversuche von Angehörigen der amerikanischen Armee und der Stupo und Provokationen kleinerer Gruppen von Zivilisten.

Nach wie vor kam es zu zahlreichen gegen die S-Bahn gerichteten Provokationen.

So wurden in 25 Fällen (davon 19 in Westberlin) S-Bahn-Züge bzw. Inneneinrichtungen beschädigt und zwischen Bahnhof Hermannstr. und Tempelhof und zwischen Charlottenburg und Halensee Hindernisse auf die Schienen gelegt. Ferner wurden Hetzlosungen geschmiert (4) und zum Boykott der S-Bahn mittels Transparente aufgerufen.

Bereits am 23.8.1961 wurde vom Deutschen Angestellten Gewerkschaftsbund im Finanzamt Berlin-Neukölln/Süd eine Amtsversammlung einberufen, wo zum S-Bahn-Boykott aufgerufen und erklärt wurde, dass sich die für diesen Boykott hergebenden Personen bei Weiterzahlung des Gehalts in der Zeit des Berufsverkehrs mit Transparenten auf S-Bahnhöfen aufhalten sollen und deshalb aus dem Arbeitsprozess herausgelöst würden.

In einer neuerlichen Versammlung in der gleichen Dienststelle wurden hauptsächlich jüngere Angestellte angesprochen, alle vom Senat eingeleiteten Maßnahmen zu unterstützen. Sie sollen besonders als Hilfskräfte für die Kriminalpolizei eingesetzt werden.

Wie noch bekannt wurde, sollen laut Anweisung des Senators Lipschitz die bereits ausgebildeten Kräfte der Hilfspolizei ab sofort den Schutz über Dienststellen und Betriebe, besonders nachts, übernehmen. Über einen weiteren Einsatz der Hilfspolizei wird noch beraten. Zzt. befindet sich die gesamte Stupo in Alarmstufe I.

Zu einem Zwischenfall kam es um 15.10 Uhr am KP 38, als eine Kolonne von drei amerikanischen Bussen und drei Pkw der US-Armee ins demokratische Berlin einfahren wollte. Da die Insassen ein Vorzeigen der Pässe verweigerten, wurden die Fahrzeuge zurückgewiesen. Gegen 15.40 erschienen die gleichen Fahrzeuge wieder und blockierten den Fahrverkehr in das demokratische Berlin, ohne der Aufforderung zurückzufahren, nachzukommen. Ein Teil der US-Armee-Angehörigen nahm eine drohende Haltung ein, weshalb unsere Kontrollposten bei den sowjetischen Freunden telefonisch anfragten, wie sie sich zu verhalten hätten. Ihnen wurde erklärt, die Kolonne unkontrolliert durchfahren zu lassen.

Von den sog. Vereinigten Mitteldeutschen Landsmannschaften, Landesverband Berlin, werden Aufforderungen zur Teilnahme an den Veranstaltungen zum »Tag der Heimat« verbreitet, u. a. für den 1.9.1961 (Zusammenkunft in Berlin-Wilmersdorf, Mecklenburgische Str. 57a, 20.00 Uhr) und für die Großkundgebung am 3.9.1961 in der Waldbühne.

Ergänzung:

Wie nachträglich offiziell zu den Kontrollen bekannt wurde, werden in den Zelten sämtliche Personen, die Westberlin betreten wollen, von der Westberliner Kriminalpolizei kontrolliert. Den Beamten liegt dazu bereits eine gedruckte Liste der »unerwünschten Personen« vor, die von der Westberliner politischen Polizei zusammengestellt worden ist. U. a. sind darin sämtliche Personen aufgeführt, die bisher im Zusammenhang mit »kommunistischen Demonstrationen in Westberlin« aufgetaucht oder als offene Anhänger und Vertreter des »SED-Regimes« bekannt sind.

Im Verlaufe des 24.8. bis in die Morgenstunden des 25.8.1961 zeigte sich eine verstärkte Streifentätigkeit der westlichen Besatzungsmächte, die fast alle Kontrollpunkte am Ostring berührte. Eingesetzt wurden Panzer, SPW und Kraftfahrzeuge, die teilweise mit rückstoßfreien Geschützen und MG ausgerüstet waren. Die Streifen haben eine durchschnittliche Stärke von drei bis fünf Soldaten und passieren in Abständen von ca. 1 Std. die im Streifengebiet liegenden Kontrollpunkte.

Eine zahlenmäßige Einschätzung der eingesetzten Kräfte ist bisher noch unvollständig möglich. Nach der bisherigen Übersicht befinden sich folgende Kräfte im Einsatz:

  • USA: ca. 1 Panzerkompanie – 10 bis 12 Panzer (teilweise Typ M 48) und 10 SPW,

  • England: 6 bis 8 SPW, durchschnittlich mit zehn Soldaten besetzt,

  • Frankreich: einzelne SPW und Pkw.

An folgenden Punkten sind nach bisherigen Feststellungen ständig generische Kräfte stationiert:

  • KP 38 – Klara-Zetkin-Str. (1 Panzer, 1 SPW, 1 RG),

  • KP 41 – Potsdamer Platz (1 SPW mit RG),

  • KP 43 – Friedrichstr. (1 Panzer, MTW, Jeeps),

  • KP 50 – Heinrich-Heine-Str. (Jeep mit RG),

  • Raum der Radarstation Rudow (3 Panzer, 3 SPW, Lkw, ständige Hubschraubertätigkeit, gegen 00.00 Uhr Entfaltung von Infanterie-Gruppen, MGs in Stellung).

Die Angaben über die an diesen Punkten stationierten Kräfte unterliegen teilweise Veränderungen.

An folgenden Kontrollpunkten sind nach der bisherigen Übersicht für kürzere Zeiten gegnerische Kräfte stationiert gewesen oder stationiert worden:

  • KP 52 – Legienstr.,

  • KP 53 – Leuschnerdamm,

  • KP 56 – Köpenicker Str.,

  • KP 65 – Wildenbrücke,

  • KP 72 – Britzer Allee,

  • KP 73 – Späthbrücke,

  • KP 32 – Chausseestr.,

  • KP 42 – Wilhelmstr.,

  • KP 45 – Markgrafenstr.

2. Gegnerische Provokationen und Vorkommnisse im demokratischen Berlin

Neben den bereits erwähnten S-Bahn-Beschädigungen auf dem Territorium des demokratischen Berlin (2) und einer Reihe hetzerischer Äußerungen negativer Elemente wurden folgende Vorkommnisse bekannt:

In der Nacht vom 23. zum 24.8.1961 wurde von unbekannten Tätern an einem Lokal der Nationalen Front in Müggelheim, am Dorfplatz 1 eine 3 m lange und 40 cm hohe Hetzlosung »Wir wollen freie SED« mit grüner Ölfarbe angebracht.

Gegen 16.00 Uhr wurde auf dem KP 83, Stützpunkt 10, vorsätzlich das Leitungskabel zur Beleuchtung des KP von unbekannten Tätern zerstört.

Der Angehörige der Abteilung K des Transportpolizei-Abschnittes Schöneweide, Hwm. [Name 1], wurde von dem 19-jährigen [Name 2] provoziert und tätlich angegriffen. [Name 2] wurde festgenommen.

3. Grenzdurchbrüche und Desertionen

Die Zahl der Grenzdurchbrüche hat sich deutlich erhöht, was auf die noch immer vorhandenen Lücken im Sicherungssystem aber gleichermaßen – wie die nachfolgenden Beispiele beweisen – auch auf einige Schwächen in der Kontrolltätigkeit der Posten hinweist. So gelang es zehn Personen, gewaltsam die Grenze zu durchbrechen.

Gegen 1.30 Uhr gelang es am KP 76 einer männlichen und einer weiblichen Person gemeinsam nach Westberlin durchzubrechen, nachdem sie aus einem Laubengang kommend die Absperrung durchschnitten hatten. Am KP 34 gelang es einem ADN-Reporter durch Vorzeigen einer Bescheinigung in Grenznähe zu gelangen und von dort aus zu flüchten.

Gegen 2.10 Uhr sprangen zwei männliche Personen und eine weibliche Person aus einem in der 2. Etage des Hauses Bernauer Str. 20 liegenden Fenster unmittelbar auf Westberliner Gebiet. Die weibliche Person zog sich dabei Verletzungen zu. Alle drei wurden von der Stupo abtransportiert. Der Vorgang wurde vom KP Ruppiner Str. aus beobachtet. Um 6.55 Uhr erschienen am KP Fritz-Heckert-Str. eine männliche und eine weibliche Person in Maurerkleidung, die angaben, zur Ausbesserung der Grenzbefestigung beauftragt zu sein. Durch diese Täuschung der Posten gelang es ihnen, vor dem Haus Lauscher Damm 4 die Sperrmauer zu überwinden. (Von den an der Grenze eingesetzten Posten wird in diesem Zusammenhang ganz allgemein erwähnt, dass in der Regel alle Arbeiter, die tatsächlich Arbeiten an der Grenzsperre verrichten, lediglich ihren Personalausweis besitzen.)

Gegen 8.20 Uhr versuchten zwei Maurer, die auf dem Friedhof Liesenstr. mit der Vermessung der Grenzmauer beschäftigt waren, unter Ausnutzung ihrer Tätigkeit über die Grenzmauer nach Westberlin zu gelangen. Während es einem möglich war, konnte der andere, [Name 3], VEB Bauhof Berlin, gestellt werden.

Am KP Sonnenallee versuchten zwei in unmittelbarer Nähe am Kontrollpunkt als Bauarbeiter an Wohnbauten beschäftigte Jugendliche die Grenze zu überschreiten. Einer von ihnen, [Name 4], konnte dabei festgenommen werden. (Dieser Durchbruch erfolgte bereits am 23.8.1961.)

Ferner konnten noch eine Reihe weiterer Grenzdurchbrüche verhindert werden.

In einem Falle wurde dabei eine Person, Günter Litfin, geboren 19.1.19376, wohnhaft Berlin-Weißensee, [Straße, Nr.], Schneider, ledig, tödlich verletzt.7 L. versuchte gegen 16.15 Uhr über das Bahngelände zwischen Friedrichstr. und Lehrter Bahnhof nach Westberlin zu entkommen. Er wurde von der Trapo bei seinem Fluchtversuch entdeckt und zum Stehenbleiben aufgefordert. Dieser Aufforderung kam er nicht nach und sprang trotz eines Warnschusses in die Spree und versuchte schwimmend Westberlin zu erreichen. Nachdem er auch auf weitere Warnschüsse nicht reagierte, legte ein Transportpolizist mit drei Schuss ein Sperrfeuer und erst, als L. noch immer keine Anstalten machte umzukehren, gab der Transportpolizist einen gezielten MPi-Feuerstoß ab. Wie nach der Bergung und Untersuchung der Leiche festgestellt wurde, wurde L. durch einen Einschuss im Genick mit Ausschuss am Kinn tödlich verletzt und ertrank.

Gegen 17.15 Uhr wurde der Bürger Gelfort, Eike,8 festgenommen, als er sich am KP 46 bereits auf der Grenzmauer befand und flüchten wollte.

Neben weiteren Bürgern des demokratischen Berlins wurden in acht Fällen auch Westberliner bzw. westdeutsche Bürger wegen Grenzüberschreitung ohne gültige Papiere festgenommen. U. a. wurde der 30-jährige Kurt Grunow aus Berlin 30, [Straße, Nr.] festgenommen. G., nach dem gefahndet wird, versuchte illegal mittels eines Standkahnes am Osthafen das demokratische Berlin zu erreichen. Der Westberliner Bürger [Name 5] versuchte gegen 2.30 Uhr die Sperre des Bahnhofes Friedrichstr. zu durchbrechen. Er kam mit der S-Bahn an und leistete der VP bei der Kontrolle Widerstand.

An der Grenze um Westberlin haben die Fahnenfluchten zwar nicht zugenommen (insgesamt drei Fälle), aber in der Berichtszeit zeigte sich ein ernstes Anwachsen der Desertionen an der Staatsgrenze West bzw. der Seegrenze. In Berlin desertierten:

  • Uwm. [Name 6], 1. Zug, 2. Komp. der 4. Bereitschaft im Bereich der Eisenbahnbrücke Wilhelmsruh-Schildow. Die Untersuchungen laufen noch.

  • Von der Grenzbereitschaft Groß Glienicke, Komp. Glienicke-Nordbahn, wurde gegen 20.20 Uhr der Soldat [Name 7] während seines Postendienstes nach Westberlin fahnenflüchtig.

  • Außerdem wurde bereits wieder ein Angehöriger der Lehrbereitschaft Potsdam, 3. Komp., der Owm. Mindorf, Peter, fahnenflüchtig.9 Mindorf versah zusammen mit DGP-Angehörigen Postendienst in Klein-Glienicke und benutzte das Austretengehen zur Flucht. Er führte eine MPi mit 80 Schuss Munition bei sich. In Grenznähe wurde sein Notizbuch gefunden, aus dem hervorgeht, dass er fahnenflüchtig wurde.

An der Staatsgrenze West der DDR flüchteten:

  • von der GB Salzwedel, Komp. Reddigau

    • Gefr. [Name 8],

    • Sold. [Name 9],

  • von der GB Nordhausen, Komp. Neuendorf

    • Sold. [Name 10],

  • vom 4. Brigadestab

    • Uffz. [Name 11],

  • aus der 6. GB Rostock, Bootsgruppe Rostock

    • Obermatrose [Name 12]10

    • Obermatrose [Name 13]11 und

    • Matrose [Name 14]12.

In vier weiteren Fällen besteht dringender Verdacht der Fahnenflucht. So sind von der Komp. Geberrsut, GB Plauen der Stabsgefr. [Name 15], von der ehem. Komp. Bohrendorf, GB Rostock die Gefr. [Name 16] und Gefr. [Name 17] bereits seit 23.8.1961 überfällig.

Bei der Gruppenfahnenflucht aus der Bootsgruppe Rostock wurde der diensthabende Maat des auf See befindlichen Küstenschutzbootes von den Desertierten ins Bein geschossen und in offener Meuterei die Besatzung gezwungen, die Deserteure nach Westdeutschland zu bringen, wo sie im Hafen Travemünde von Bord gingen.13

In allen Fällen werden noch genaue Untersuchungen über die Ursachen der Desertionen geführt.

4. Stimmung bei den Sicherungskräften

Trotz solcher negativen Erscheinungen wie die Desertionen und das Ermöglichen von Grenzdurchbrüchen muss die Stimmung in den bewaffneten Einheiten nach wie vor als gut eingeschätzt werden, wofür es auch zahlreiche übereinstimmende Hinweise gibt.

Negative Meinungen sind Einzelerscheinungen und äußern sich z. B. im Nichtverstehen der »so lange anhaltenden Einsatzbereitschaft«, während die Kampfgruppen »gehen könnten«. Ein kleiner Teil der Angehörigen der bewaffneten Einheiten schreibt in Briefen überspitzte Darstellungen der Lage, offensichtlich in der Absicht, Eindruck zu erwecken und nicht so sehr als Ausdruck gewisser Panikstimmungen.

Auch verschiedene andere Schwächen können den positiven Gesamteindruck nicht wesentlich abschwächen, sollten aber doch zum Anlass bestimmter Überprüfungen genommen werden. Z. B. wird kritisiert, dass Angehörige des AZKW vor und während des Dienstes nicht genügend mit allen neuen Maßnahmen vertraut gemacht werden und deshalb oft keine konkreten Auskünfte geben können.

5. Vorkommnisse

Noch immer gibt es Hinweise, dass Bürger der DDR, besonders Jugendliche, versuchen, die Fährverbindungen der Ostsee zum Verlassen der Republik auszunutzen.

Am 24.8. wurde ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bergakademie Freiburg von Angehörigen des AZKW gestellt und der VP übergeben, als er im dänischen Hafen Gedser versuchte, das Fährschiff Warnemünde zu verlassen. Der Jugendliche [Name 20] versuchte auf einer Fahrt mit dem Motorschiff »Undine« von Bord zu gehen und auf dem Gedser-Feuerschiff um Asyl zu bitten. Er war bereits über Deck gesprungen. Durch ein Bergungsmanöver wurde er wieder zurückgeholt und im Hafen von Warnemünde den Sicherheitsorganen übergeben. Ein Mitglied einer Chemikergruppe des Chemie-Kombinats Bitterfeld kehrte von einer Reise nach Stockholm nicht wieder zurück.

In diesem Zusammenhang hält noch immer das provokatorische Verhalten Außenstehender im schwedischen Hafen Trelleborg an.14 Nachdem bereits am 22.8.1961 während der Liegezeit des Fährschiffes »Saßnitz« in Trelleborg von ca. 100 Personen provokatorische und beleidigende Äußerungen gegenüber den DDR-Touristen und der Schiffsbesatzung gemacht wurden, konnten am 24.8.1961 im gleichen Hafen eine größere Anzahl angebrachte Rettungsringe, Schwimmwesten und eiserne Leitern festgestellt werden. Offensichtlich erwarten die schwedischen Behörden, dass das Überbordspringen im Hafen von Trelleborg seitens der DDR-Touristen noch mehr ansteigen wird.

Bereits am 23.8., gegen 20.45 Uhr wurde bei einer Autobahnkontrolle des Rasthofes Börde ein illegaler Treff zwischen einem Westberliner und einem Bürger der DDR festgestellt, in dessen Verlauf an den DDR-Bürger über 19 000 DM und andere Wertgegenstände übergeben werden sollten. Das Geld war in einem Kissen eingenäht. Die Westberliner Person sagte aus, dass sie dieses Geld vom Bonifacius-Verein erhalten habe und es für die Kirchengemeinde des DDR-Bürgers bestimmt sei. Es handelt sich bei den Personen um den Katholischen Kaplan Hermesmann, Hans-Georg, aus Westberlin und dem Katholischen Kaplan Niehorster aus Halle.15

Gegen 19.25 Uhr erfolgte im Raum Lauen/Palingen ein Einflug eines einmotorigen Sportflugzeuges in ca. 200 m Höhe, das kurze Zeit später in der Nähe der Ortschaft Hof/Selmsdorf landete. Der Pilot, [Name 18], aus Frankfurt/M., von Beruf Flieger, erklärte, dass er sich wegen schlechter Witterung auf dem Flug von Lübeck nach Kiel verflogen hätte.

  1. Zum nächsten Dokument Staatskritische Tendenzen in den evangelischen Kirchen

    25. August 1961
    Einzel-Information Nr. 480/61 über verstärkte Tätigkeit der reaktionären Kreise der evangelischen Kirche in der DDR

  2. Zum vorherigen Dokument Reaktion der DDR-Intelligenz auf den Mauerbau

    24. August 1961
    Bericht Nr. 478/61 über die Reaktion der Angehörigen der Intelligenz auf die Schutzmaßnahmen der Regierung der DDR