Weitere Reaktionen auf die Ausbürgerung Biermanns
23. November 1976
Information Nr. 815/76 über weitere Reaktionen von Verbindungen Biermanns in der DDR
Dem MfS wurde intern bekannt, dass am 22. November 1976, 20.00 Uhr, in der Wohnung von Stephan Hermlin eine »Beratung« stattfand, an der neben Hermlin Stefan Heym, Jurek Becker, Volker Braun, Christa und Gerhard Wolf sowie Rolf Schneider und Ehefrau teilnahmen.
Ziel dieser Zusammenkunft war die Erörterung zur Erarbeitung einer bisher nicht näher bekannten »Erklärung« der Beteiligten nach Aberkennung der Staatsbürgerschaft für Biermann, die im Namen der Unterzeichner der ersten »Protesterklärung« zu einem noch zu vereinbarenden Zeitpunkt veröffentlicht werden solle.1
Stefan Heym hatte bereits am 21. November 1976 in Gesprächen mit Stephan Hermlin und Jurek Becker angedeutet, er sei zu der Überzeugung gelangt, jetzt werde gegen die 13 Unterzeichner der ersten »Protesterklärung massiv Front bezogen«; alles laufe darauf hinaus, sie mit der hauptsächlichen Begründung, die »Protesterklärung« der Westpresse übergeben zu haben, »anzugreifen«. Dagegen müsse man sich wehren und Stellung beziehen. Heym unterstützte Beckers Einwurf, dass dies erneut nur unter Ausnutzung der Westpresse möglich sei.
Stefan Heym setzte sich im Anschluss an diese Gespräche mit der Lektorin Ingrid Grimm vom Bertelsmann Verlag, München, in Verbindung und informierte darüber, dass jetzt die »Kampagne gegen die Unterzeichner eingeleitet« worden sei. Er forderte sie auf, mit ihren Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass in westlichen Massenmedien deutlich betont werde, das »Neue Deutschland« sei drei Stunden vor den Westagenturen in Kenntnis gesetzt worden. Er wies die Grimm darauf hin, Berichte über die oben genannte Kampagne mit den Worten zu beginnen: »In Kreisen der Schriftsteller wird gesagt …«
Christine Biermann geht regelmäßig ihrer Studientätigkeit an der Humboldt-Universität nach.
Nach den im »Neuen Deutschland« veröffentlichten,2 Biermanns Ausweisung befürwortenden Stellungnahmen hält sie eine Rücknahme der Aberkennung der Staatsbürgerschaft nicht mehr für möglich und hat sich offensichtlich damit abgefunden, dass Biermann nicht mehr in die DDR zurückkehrt. Sie erwartet die »Zustellung eines offiziellen staatlichen Dokuments, in dem bestätigt wird, dass ihrem Ehemann die Staatsbürgerschaft der DDR aberkannt wurde«.
Sie unterhält zu Rechtsanwalt Dr. Götz Berger Kontakt, der ihr den Vorschlag unterbreitete, eine Eingabe an den Rechtsausschuss der Volkskammer einzureichen, darin die »Unzulässigkeit der Aberkennung der Staatsbürgerschaft des Biermann nachzuweisen« und die Möglichkeit [von] dessen Wiedereinreise zu fordern. Christine Biermann erklärte sich mit diesem Vorschlag einverstanden.
Darüber hinaus sucht Christine Biermann Rat bei Stefan Heym (bei dem sie sich am Abend des 21. November 1976 mehrere Stunden aufhielt) und Jurek Becker und ist laufend mit Meinungen der Eva-Maria Hagen, Sibylle Havemann und Nina Hagen konfrontiert.
Die Information ist nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.