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Zusammenkunft kirchlicher Amtsträger zum Fall Brüsewitz

22. Oktober 1976
Information Nr. 723/76 über die Zusammenkunft kirchlicher Amtsträger zur Erörterung von Fragen im Zusammenhang mit dem Vorfall Brüsewitz

Wie dem MfS bekannt wurde, fand am 4. Oktober 1976 im Paulus-Gemeindehaus Halle/Saale, Robert-Blum-Straße 11, eine Zusammenkunft von ca. 80 kirchlichen Amtsträgern statt, zu der die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (Magdeburg) eingeladen hatte.

Teilnehmer waren solche Pfarrer, u. a. Amtsträger, die im Zusammenhang mit dem Vorfall Brüsewitz schriftliche Anfragen und Eingaben an die Kirchenleitung Magdeburg gerichtet hatten. Darüber hinaus nahm aus jedem Kirchenkreis der Kirchenprovinz Sachsen je ein Vertreter teil. Von der Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen waren anwesend: Bischof Krusche, Magdeburg, Propst Bäumer, Magdeburg, Propst Münker, Halle, Oberkonsistorialrat Schultze, Magdeburg, sowie Superintendent Baumgärtner, Halle.

Die Zusammenkunft trug streng internen Charakter; Zutritt hatten nur Personen mit schriftlichen Einladungen der Kirchenleitung.

Ein Teil der eingeladenen Teilnehmer hatte nach dem Vorfall Brüsewitz in schriftlichen Stellungnahmen und Eingaben an die Kirchenleitung Magdeburg Stellung gegen die Kirchenleitung, insbesondere gegen Bischof Krusche, bezogen. Krusche wurde vorgeworfen, eine »zu lasche Haltung gegenüber dem Staat« zu vertreten und nicht in der Lage zu sein, die Forderungen aus den Gemeinden gegenüber staatlichen Stellen durchzusetzen. In einigen Fällen wurde die Aufforderung zum Rücktritt wegen Unfähigkeit ausgesprochen. Von der Kirchenleitung wurde weiter eine klare Stellungnahme zur Haltung gegenüber unserem Staat verlangt, die auf der nächsten Synode der Landeskirche bekanntgegeben werden sollte.

Bischof Krusche eröffnete die Zusammenkunft am 4. Oktober 1976 mit Ausführungen, die als Antwort auf die Anwürfe und Eingaben gedacht waren, wobei er inhaltlich von den übrigen anwesenden Angehörigen der Kirchenleitung unterstützt wurde. Zusammenfassend beinhalteten sie:

Eine weitere Konfrontation mit dem Staat sei unerwünscht. Der sich zwischen Staat und Kirche anbahnende Friede solle nicht durch unbedachte Handlungen gestört werden. Die Kirche benötige für ihre Arbeit geordnete Verhältnisse und Ruhe und keine »Wirrköpfe«, die durch ihre Exzesse das Klima zwischen Staat und Kirche beeinträchtigen. Die Stellungnahmen der Kirchenleitung in Magdeburg und der Konferenz der Kirchenleitungen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR zum Vorfall Brüsewitz seien völlig ausreichend gewesen. Eine weitere Diskussion der Angelegenheit sei nicht erforderlich. Deshalb solle der Vorfall Brüsewitz auf der nächsten Synode der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen auch lediglich kurz erwähnt werden.

Nach diesen Ausführungen äußerten Teilnehmer in einer zeitlich sehr begrenzt vorgegebenen Diskussionsdauer, die Antworten hätten nicht überzeugt, und die Vorwürfe gegen die Kirchenleitung Magdeburg müssten bestehen bleiben. Zum Teil wurden die bereits erwähnten Forderungen wiederholt.

Der Synodale der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und Mitglied ihrer Kirchenleitung, Reinhard Höppner, wohnhaft: 1. Prösen bei Bad Liebenwerda, [Adresse], 2. Berlin, [Adresse], Beruf: Chemiker,1 legte der Zusammenkunft eine von ihm erarbeitete sogenannte Thesenreihe zum Vorgang Brüsewitz vor, nachdem er diese einigen Teilnehmern bereits vor der Besprechung hektographiert zugestellt hatte. Die Thesen, die sich mit »biographischen Reflexionen«, Untersuchung des Tatmotivs und Deutung der Tat als »Symbolhandlung« beschäftigen, gipfeln in der Frage nach dem »gesellschaftlichen Stellenwert« der Tat. Dabei werden folgende Fragen gestellt:

  • War es ein Symptom für politisches Unbehagen? Für welches?

  • War es ein Zeichen für die Leiden eines Pfarrers an der atheistischen Umwelt, in die hinein er wirkt? Was würde das für den Pfarrdienst bedeuten?

  • Welche Fragen stellt dies Zeichen für den Weg unserer Kirche im Sozialismus?

Obwohl Bischof Krusche die Thesen als »Privatmeinung« von Höppner bezeichnete, die auf keinen Fall als kirchenamtliches Papier gewertet werden könnten, äußerte Höppner, er werde Wege finden, die Thesen zur nächsten Synode der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen als Vorlage einzubringen.2 (Die Thesen werden im Wortlaut in der Anlage beigefügt.)

Die Zusammenkunft wurde ohne restlose Klärung der Standpunkte von Bischof Krusche geschlossen.

Die Information ist nicht für eine öffentliche Auswertung geeignet.

Anlage zur Information Nr. 723/76

Eine Thesenreihe

Der Selbstverbrennungsversuch von Pfarrer Brüsewitz ist im Gespräch. Wie können wir seine Tat verstehen? Die Thesenreihe soll helfen, darüber ins Gespräch zu kommen.3 Wir sind zunächst an seine Biographie verwiesen.

  • 1.

    Biographische Reflexionen

  • 1.1

    Ich habe Pfarrer Brüsewitz nicht persönlich gekannt, habe von ihm gelesen und mir von ihm erzählen lassen. Nachdenkend darüber möchte ich folgende Sätze hervorheben.

  • 1.1.1

    Hauptanliegen seines Lebens war die Verkündigung des Evangeliums, angefangen von der Schaufenstergestaltung in seiner Schusterwerkstatt bis zu seiner Arbeit als Pfarrer.

  • 1.1.2

    Dabei waren Ruhe und Behaglichkeit nicht seine Sache, er war ständig in Aktion. Halbheiten hat er nicht ertragen. Als Schuhmacher noch, in Weißensee, mit dem Einzug von Kirchensteuern befasst,4 hat er die Menschen entweder zum Zahlen oder zum Austritt bewegt. Ein Drittes gab es für ihn nicht. Er war immer mit ganzem Herzen und ganzem Leben bei seinen Aktionen.

  • 1.1.3

    Er hat sich seine Aktionen genau überlegt, vielleicht mehr von der handwerklichen und gestalterischen Seite als theologisch-intellektuell.

  • 1.1.4

    Er war sehr urwüchsig mit der Natur verbunden, sicherlich eine Ursache dafür, dass er eine besondere Beziehung zu Symbolen und zeichenhafter Verkündung hatte. Seine Examenskatechese über Zachäus beispielsweise begann er damit, dass der den Kindern eine Taube im Käfig mitbrachte, zu Beginn den Käfig öffnete und den Kindern den Flug der Taube in die Freiheit zeigte, das begleitet etwa mit den Worten: So befreit Gott Menschen aus ihrem Käfig.

  • 1.2

    Man wird nun nach den Motiven fragen, die zu seinem Selbstverbrennungsversuch geführt haben.

  • 1.2.1

    Wahnsinn und Krankheit sind ausgeschlossen, Behauptungen in dieser Richtung sind Lügen.
    Gewiss, mit den Maßstäben des »Normalen« ist die Tat nicht zu messen.

  • 1.2.2

    Es hat keinen äußeren Anlass für seine Tat gegeben. Sie ist also nicht als eine Kurzschlussreaktion aus einer bestimmten Situation heraus zu verstehen.

  • 1.2.3

    Sein Anliegen war es, auch in dieser Tat das Evangelium zu verkündigen und Zeuge Gottes zu sein. Sein letzter Brief an den Pfarrkonvent gibt darüber Aufschluss.

  • 1.2.4

    Trotz alledem hinterlassen die Nachforschungen über die Motive seiner Tat den Eindruck, dass sich die Motive aus dem vorliegenden Material nicht hinreichend erkennen lassen. Hier ist man offenbar an die Grenzen der Aussagekraft der Äußerungen gekommen, die man aus seinem Leben ablesen kann.

  • 1.3

    Die Deutung der Tat bedarf der Einordnung in einen größeren Zusammenhang.

  • 1.3.1

    Die Tat ist kein Selbstmord im üblichen Sinne. Der Begriff ist hier weder brauchbar für eine ethische Wertung der Tat noch hilfreich für ihr Verständnis.

  • 1.3.2

    Die Tat gehört in den Bereich der Symbolhandlungen; sie kann als solche zeichenhafte Handlung verstanden werden. Damit würde sie in Kontinuität zu den Handlungen im Leben von Pfarrer Brüsewitz stehen.

  • 1.3.3

    Eine Überprüfung, inwieweit eine solche Sicht hier möglich ist, bedarf zunächst eines Exkurses über Symbolhandlungen.

  • 2.

    Ein Blick auf Symbolhandlungen

  • 2.1

    Theoretische Überlegungen

  • 2.1.1

    Eine Symbolhandlung ist ein Konzentrat von Aussagen, die in Worten alleine nicht ausreichend beschrieben werden können. Die darin zusammengefassten Aussagen sind vielfältig.

  • 2.1.2

    Die Symbolhandlungen sind mehrschichtig und mehrdeutig. Sie werden eher meditativ erfahren als intellektuell aufgenommen. Sie machen Identifikation möglich.

  • 2.1.3

    Eine Symbolhandlung wird zur Absonderlichkeit, gelegentlich zur Lächerlichkeit, wenn sie nicht nacherfahren werden kann.

  • 2.1.4

    Eine Symbolhandlung hat oft geschichtliche Vorbilder – sie kopiert allerdings deren Aussage nicht, kann sie sogar in ihr Gegenteil verkehren.

  • 2.1.5

    Die Symbolhandlung drückt i. a. mehr aus, als dem Handelnden eigentlich bewusst ist.

  • 2.1.6

    Symbolhandlungen haben auch dann einen Sinn, wenn sie von den Zeitgenossen (noch) nicht verstanden werden.

  • 2.2

    Biblische Zeichenhandlungen

  • 2.2.1

    Symbolhandlungen haben in früherer Zeit eine sehr große Rolle gespielt. Sie waren ein wichtiger Bestandteil in der Verkündigung der Propheten.

  • 2.2.2

    Die Symbolhandlungen waren oft höchst merkwürdig und anstößig. Jeremia begann eine Predigt mit dem Zerschlagen eines Topfes (Jer. 12) und lief mit einem Joch am Hals durch die Stadt (Jer. 27). Hesekiel brach ein Loch in die Wand seines Hauses statt die Tür zu benutzen (Ez. 12) und ließ absichtlich Fleisch samt Topf verkohlen (Ez. 24).

  • 2.2.3

    Auch die anstößigen Mahlfeiern Jesu mit Zöllnern und Sündern können als solche Zeichenhandlungen verstanden werden.

  • 2.3

    Symbolhandlungen aus der jüngsten Geschichte

  • 2.3.1

    Viele Symbolhandlungen unserer Zeit stammen aus der Bewegung des gewaltlosen Widerstandes. Sie haben dort ihren besonderen Platz, weil sie das Gewissen wachrütteln ohne den Gegner zu verletzen.

  • 2.3.2

    Beispiele von Gandhi und M. L. King wären hier zu nennen. Wenn etwa M. L. King sich bei einem Protestmarsch bewusst festnehmen und ins Gefängnis werfen lässt oder Schwarze ein »sit-in« in einer für Weiße bestimmten Gaststätte veranstalten, dann sind dies solche Symbolhandlungen.

  • 2.3.3

    Die brennende Flamme wird in der Auseinandersetzung um den Vietnamkrieg zu einem besonderen Symbol. Es erinnert an die unter Napalmbomben brennenden Kinder Vietnams, ist Protest gegen ihren Tod und will ihn verhindern.

  • 2.3.4

    Pater Daniel Berrigan beschreibt, wie das Verbrennen von Einberufungsunterlagen nicht nur gegen den Krieg protestiert, sondern bereits befreiend wirkt: »Wir neun Mann drangen in das Einberufungsamt ein, entnahmen Hunderte von 1-A-Akten5 und verbrannten sie mit selbstgefertigtem Napalm auf einem beschotterten Parkplatz ganz in der Nähe. Ich kann mich noch lebhaft an die Hitze und Leidenschaft dieses Nachmittags erinnern und an das überwältigende Gefühl der Befreiung, in dem wir einander anblickten, als alles geschehen war.«

  • 2.3.5

    Die Selbstverbrennung Buddhistischer Mönche in Vietnam ist in diesem Zusammenhang zu sehen, eine Handlung übrigens, die in der buddhistischen Religion etwas ähnlich Ungewöhnliches ist wie im Christentum.

  • 2.3.6

    Die Aktionen hatten oft einen starken religiösen Hintergrund. Die Verbrennung von Einberufungsbefehlen auf dem Altar – was unbedingt Gefängnisstrafe mit sich brachte – erinnert an die Darbringung von Opfern in früherer Zeit.

  • 2.4

    Rückblick auf die Symbolhandlungen im Leben von Pfarrer Brüsewitz

  • 2.4.1

    Das Experimentieren mit Symbolen und zeichenhaften Handlungen ist offenbar ein wesentliches Element der Verkündigung von Pfarrer Brüsewitz gewesen.

  • 2.4.2

    Das ist ungewöhnlich einmal, weil Symbole und zeichenhafte Handlungen, die nicht in den Raum des Liturgischen gehören, in der christlichen Verkündigung selten geworden sind, das Wort ist an die erste Stelle gerückt.

  • 2.4.3

    Das ist auch anstößig, weil eine gewisse Art von Zeichen und Zeichenhandlungen von den Propagandisten des Marxismus in Beschlag genommen sind: Einen roten Neonstern ist man gewöhnt. Ein Neonkreuz, das er an seiner Kirche angebracht hat, erregte Anstoß. Ähnliches gilt für die inzwischen oft zitierte Erntelosung.

  • 2.4.4

    Er hat versucht, völlig neue Symbole auszuprobieren, eine wichtige aber sehr schwere Aufgabe, bei der ein gelungener Versuch wohl von zwei Fehlversuchen begleitet sein darf. Dass Fehlversuche bis an die Grenze des Feindlichen gehen, ist verständlich, gehört wohl dazu.

  • 2.4.5

    Symbole, die nicht verstanden werden – und nicht alle Symbole müssen und können gleich verständlich sein – wirken oft als Absonderlichkeit, sind einfach komisch (vgl. 2.1.3).

  • 2.4.6

    Wenn wir versuchen, seine Art der Verkündigung zu verstehen als einen Versuch, mit symbolischen Handlungen zu den Menschen zu sprechen, dann haben wir die Möglichkeit, sowohl das Peinliche wie das Anziehende in seinem Leben nebeneinander bestehen zu lassen.

  • 3.

    Der Versuch einer Anwendung

  • 3.1

    Inwieweit unterscheidet sich nun die Tat von Pfarrer Brüsewitz von den in 2.3 angedeuteten symbolischen Handlungen.

  • 3.1.1

    Obwohl sich manch einer mit diesem Symbol identifiziert, es steht hinter ihm kein politisches Konzept und keine politisch formierte Strömung in unserer Gesellschaft.

  • 3.1.2

    Die Symbolhandlungen im gewaltlosen Widerstand begegnen offener Gewalt, sie wollen offene Gewalt verhindern. Davon kann bei uns nicht gesprochen werden.

  • 3.1.3

    Die Probleme, gegen die dieses Zeichen aufgerichtet wurde, sind von anderer Größenordnung als unsere Probleme. Hier liegt die Gefahr, dass wir unsere Probleme, aufgerüttelt durch seine Tat, zu wichtig nehmen.

  • 3.1.4

    Diese Zeichen erlaubten eine klare Deutung sowohl aus dem politischen Zusammenhang heraus als auch durch die sie klärenden Verlautbarungen der Handelnden oder ihrer Mitstreiter.

  • 3.2

    Wo sind Vergleichspunkte zu sehen?

  • 3.2.1

    Pfarrer Brüsewitz hat bei seiner Zeichenhandlung sicherlich [Zeichen aus] diesem Gesamtzusammenhang entlehnt (vgl. 2.1.4).

  • 3.2.2

    Er hat offenbar gemeint, dass die einschlafenden Gewissen wachgerüttelt werden müssen. Er hat sich wohl auch einer Macht gegenüber gesehen, gegen die er sein Anliegen nicht anders zur Sprache bringen konnte.

  • 3.2.3

    Dies ist eine (mögliche?) Tat neben anderen notwendigen. Dessen waren sich auch Pater Berrigan und seine Mitstreiter bewusst (vgl. 2.3.4). Einige Sätze sollen das deutlich machen. »Wir gaben uns nie romantischen Hoffnungen hin, andere würden mit uns einer Meinung sein. Solch eine Hoffnung würde wohl die Einengung des Bewusstseins auf unsere Methode als die einzige mögliche bedeuten. Weiß Gott, wie viele Methoden rechtschaffene Menschen noch erfinden müssen, um einen Ausweg aus dieser Sackgasse zu finden. Nein, unsere Hoffnung war, andere Menschen würden klug sein, würden in geduldiger Arbeit für die Revolution all die Möglichkeiten entdecken, die noch in den Universitäten, in der Kirche, im Inneren der Cities, in der Arbeit mit den Armen, in der Arbeit mit den weißen Rassenfanatikern stecken, und würden so differenzierte Methoden erfinden als wir.« ((1) S. 40) und an anderer Stelle ((1), S. 52): »In gewisser Hinsicht haben wir zur Verschlechterung der öffentlichen Lage beigetragen. Wir haben gute Menschen in Verlegenheit gebracht, unter ihnen unsere eigenen Freunde und Kollegen an der Universität und in der Kirche. Wir haben die Herzen vieler verhärtet, die auf dem Wege waren, die Ideale des Friedens und der Gerechtigkeit aufzunehmen. Aber solch eine Hoffnung wird nur eine andere Form oder Illusion sein, es sei denn, sie erforschte das Geheimnis und die uneingestandenen Abgründe der Verzweiflung und des Siechtums, die die andere Seite unseres nationalen Optimismus sind.« ((1) = D. Berrigan, Wir streuen dem Mars keinen Weihrauch, Union Verlag, Berlin 1973).

  • 3.3

    Inwieweit kann die Tat als Zeichen der christlichen Verkündigung verstanden werden.

  • 3.3.1

    Pfarrer Brüsewitz wollte es deutlich als Zeichen der Verkündigung aufrichten. In seiner Tat kreuzen sich politisches Kampfmittel und Verkündigung. Im NT findet man eine solche Verbindung bei den Zeloten, zu denen Jesus zwar Verbindung hatte, denen er sich aber niemals angeschlossen hat.

  • 3.3.2

    Das Feuer, die Flamme ist ein Symbol in der Stunde der Entscheidung. Man wird erinnert an Lk. 12,44:6 »Ich bin gekommen, dass ich ein Feuer anzünde auf Erden; was wollte ich lieber, denn es brennete schon!«

  • 3.3.3

    Wenn es ein Zeichen »von uns« ist, dann ein Zeichen der Ungeduld, das wir als solches stehen lassen sollten, dem wir aber Zeichen der geduldigen Liebe gegenüberstellen müssen.

  • 3.3.4

    Es ist zu fragen, inwieweit Pfarrer Brüsewitz mit seinem Protest gegen die Zweideutigkeit unseres Lebens (»Wahrheit und Lüge stehen nebeneinander«), seiner Sehnsucht nach Eindeutigkeit, nicht dem Liebesgebot Jesu widerspricht (Joh. 13, 33b+34).7

  • 3.4

    Es wird unsere Aufgabe sein, dies Zeichen zu deuten, und wir werden dabei deutlich über den Horizont hinausgehen müssen, den das Leben von Pfarrer Brüsewitz gesetzt hat. Wir werden fragen müssen, was durch seinen Tod erleuchtet worden ist und was wir für unseren weiteren Weg daraus zu lernen haben.

Die beiden folgenden Punkte sind nur Fragen und erste Stichworte. Es muss vor allem Aufgabe von Gesprächen sein, hier weiterzudenken und weiter zu fragen.

  • 4.

    Fragen nach dem gesellschaftspolitischen Stellenwert dieser Tat

    • War es ein Symptom für politisches Unbehagen? Für welches?

    • War es ein Zeichen für die Leiden eines Pfarrers an der atheistischen Umwelt, in die hinein er wirkt? Was würde das für den Pfarrdienst bedeuten?

    • Welche Fragen stellt dies Zeichen für den Weg unserer Kirche im Sozialismus?

  • 5.

    Fragen an das Leben und die Ordnung unserer Kirche

    • Ist dies ein Zeichen für das in die Krise geratene Pfarramt? Wie müsste diese Krise beschrieben werden?

    • Ist es ein Zeichen dafür, dass besondere (extreme) Begabungen im Pfarramt nicht zur Geltung kommen können? Was bedeutet das für das Verhältnis von Charisma und Amt?

    • Ist das ein Zeichen für eine Krise zwischen Kirchenleitung und Basis? Wie müsste diese beschrieben werden?

    • Ist das ein Zeichen dafür, dass wir die Diasporasituation zwar anfangen intellektuell zu bewältigen aber gefühlsmäßig und praktisch noch weit davon entfernt sind?

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    26. Oktober 1976
    Information Nr. 736/76 über Aktivitäten arabischer Studenten in der DDR

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    22. Oktober 1976
    Information Nr. 721/76 über die ungenügende Verfügbarkeit der im VEB Transformatorenwerk »Karl Liebknecht« Berlin (TRO) hergestellten regelbaren Block- und Netztransformatoren