Direkt zum Seiteninhalt springen

Zweiwochenbericht

7. April 1956
Informationsdienst Nr. 7 zur Beurteilung der Situation in der DDR

Zur Lage in Industrie und Verkehr

Politische Probleme

Die Diskussionen über den XX. Parteitag1 werden weiterhin sowohl in den Betrieben wie auch unter den anderen Schichten der Bevölkerung von den Fragen über die Rolle des Genossen Stalin beherrscht. Die dabei auftauchenden Argumente und vertretenen Meinungen zeigen einerseits, dass die Richtigstellung der Rolle des Genossen Stalin vielfach nicht verstanden worden ist und zum anderen der Gegner es versteht, seine feindlichen Argumente unter die Bevölkerung zu tragen bzw. seinen Einfluss geltend zu machen.

So wurden z. B. im Krankenhaus Radebeul II, [Kreis] Dresden[-Land], und in der Lungenheilanstalt Luisenhof in Coswig,2 [Bezirk] Dresden, sowie im Wagenbau des Bw Jüterbog, [Bezirk] Potsdam, die Stalinbilder entfernt. Oder unter der Bevölkerung von Hagenow, Boizenburg und Parchim, [Bezirk] Schwerin, wurde die Hetze verbreitet, dass alle Straßen und Plätze, die den Namen Stalins tragen, in Mörderstraße bzw. -plätze umbenannt würden (Quelle: NWDR). In den Wismutgebieten Aue, Ronneburg, Johanngeorgenstadt, Auerbach und Zwickau sowie in den VEB Bauelemente und Glaswerk Großbreitenbach, [Bezirk] Suhl, wurde das Gerücht verbreitet, dass infolge der Kritik an dem Genossen Stalin unter der Bevölkerung von Georgien Unruhen ausgebrochen seien.3 (Die Quelle dieser Hetze sind ebenfalls die Westsender.)

Vielfach wird unter der Bevölkerung die Meinung vertreten, dass es nicht richtig sei, erst jetzt kritisch zu den Fehlern Stalins Stellung zu nehmen, dies hätte früher erfolgen sollen, da er jetzt nicht mehr dazu Stellung nehmen könne. Dabei taucht häufig die Frage auf, wie es möglich war, dass die anderen ZK-Mitglieder das Verhalten Stalins billigten. So wurde z. B. unter den Angehörigen des VPR 246 (Rahnsdorf, [Ortsteil von] Berlin) die Auffassung vertreten: »Die übrigen Genossen des ZK der KPdSU tragen mehr Schuld als Stalin, da es ihre Pflicht hätte sein müssen, Stalin rechtzeitig auf seine Fehler aufmerksam zu machen.«

Stellungnahmen zu den Ausführungen des Genossen Walter Ulbricht auf der Berliner Delegiertenkonferenz4 liegen nur vereinzelt vor und enthalten zum Teil Hetze gegen den Genossen Walter Ulbricht. So z. B. äußerten einige Arbeiter im VEB Bastfaser Fehrbellin, [Bezirk] Potsdam: »Walter Ulbricht ist der zweite Stalin und deswegen glauben wir nicht mehr an die Richtigkeit der Politik der SED

Zum Abschluss sei noch erwähnt, dass auf der Peenewerft Wolgast von einigen Arbeitern die Meinung vertreten wird, »da auf dem XX. Parteitag so offenherzig diskutiert wurde, sei es richtig, soziale Forderungen zu stellen.« In einem Falle wurden folgende Forderungen gestellt:

  • 1.)

    zusätzlicher Treueurlaub,

  • 2.)

    zehn Minuten Waschzeit täglich und wöchentlich einmal 20 Minuten Badezeit bei schmutzigen Reparaturarbeiten,

  • 3.)

    einheitliche Lebensmittelkarten5

  • 4.)

    bei schwerer Arbeit 18 Tage Urlaub6 und Milchausgabe.

Über die Diskussionen zur III. Parteikonferenz der SED7 erfolgen Sonderberichte.8

Ökonomische Probleme

1. Materialschwierigkeiten

Bei den Mängeln im betrieblichen Ablauf spielen nach wie vor besonders die Materialschwierigkeiten eine Rolle. Die Nichteinhaltung der Liefertermine der Zulieferbetriebe sowie die Verzögerungen der Importlieferungen haben wiederum zur Folge, dass die davon betroffenen Betriebe die Exportprogramme nicht einhalten können. Auch werden dadurch die Quartalspläne nicht erfüllt, und den Betrieben entstehen unnötige Kosten durch das Schreiben von Wartestunden. Materialschwierigkeiten treten mehr oder weniger in den verschiedensten Industriezweigen auf, was nachstehende Beispiele beweisen. So z. B. benötigen:

  • Waggonbau Görlitz und Niesky, [Bezirk] Dresden: Heizungsteile und Montageteile für Beleuchtung sowie U-Eisen 8 bis 18 mm, Stabstahl (grob), 4-mm-Blech und nahtlose Rohre;

  • drei Betriebe der chemischen Industrie: PVC-Pulver, Fettderivate, Wasserglas;

  • Bauunion Frankfurt und Bauunion Potsdam: Schwache Eisenträger und Buna-Kalk, Zement, Mauersteine und feinen Stabstahl;

  • VEB Schaltgerätewerk Werder, [Bezirk] Potsdam: Schrauben (der verschiedensten Abmessungen);

  • VEB Abus Sebnitz, [Bezirk] Dresden: Schneckenbandwinden und Kugellager;

  • VEB Isokond Berlin[-Weißensee] und VEB Elektrokohle Berlin: Grauguss sowie Koks und Ceritylourid;9

  • VEB Mühlenbau Freital, [Bezirk] Dresden: Walzwerkerzeugnisse (Bleche, Stabstahl und Flachstahl);

  • VEB Stahlbau Brandenburg,10 [Bezirk] Potsdam: Winkeleisen, Profileisen, Bleche, Nieten und Schrauben;

  • VEB Hanfspinnerei Genthin,11 [Bezirk] Magdeburg: Sisal und Chinahanf.

2. Auftragsmangel

Nachstehende Betriebe sind in ihrer Produktionskapazität durch ungenügende Aufträge nicht voll ausgelastet, was zur Verärgerung der Beschäftigten sowie zur Stilllegung von Betriebsteilen führt.

  • VEB Falgard, Kreis Auerbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, (nur zu 55 % ausgelastet).

  • VEB Halbzeugwerk Auerhammer, Kreis Aue, [Bezirk] Karl-Max-Stadt, (Auftragsmangel an plattierten Blechen).

  • Im Bezirk Karl-Marx-Stadt ist die private Textilindustrie nicht voll ausgelastet.

  • Edelstahlwerk Freital, [Bezirk] Dresden, (am 14.3.1956 die Produktion an der 450er Walzstraße wegen Mangels an Aufträgen eingestellt).

  • VEB Waggonbau Dessau, [Bezirk] Halle, (unbefriedigende Auftragslage – dadurch entstehen Wartestunden). Ähnlich ist die Lage in der Elbewerft Roßlau, [Bezirk] Halle.

  • VEB Bekleidungswerk Görlitz (ohne ausreichende Beschäftigung andererseits Absatzschwierigkeiten der gefertigten Produkte).

Produktionsstörungen in der Zeit vom 21.3. bis 6.4.1956

Braunkohlenindustrie

Durch Störungen an Baggern, Zugzusammenstößen und Entgleisungen kam es in der Berichtsperiode in den Braunkohlengebieten der Kreise Altenburg und Borna des Bezirkes Leipzig zu folgenden Produktionsausfällen: 119 304 cbm Abraum, 11 654 t Rohkohle, 885 t Brikett, 2 400 kWh Strom.

In anderen Industriezweigen kam es nur ganz vereinzelt zu Produktionsausfällen bzw. Stillständen, u. a. in Betrieben der Bau-, Kali- und Leichtindustrie sowie im Kupferbergbau. Meistenteils sind die Ausfälle auf Maschinenschäden zurückzuführen.

Brände entstanden

  • Am 31.3.1956 im Sägewerk des Baumeisters [Name 1] in Grünau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, (Schaden: 100 000 DM – Ursache unbekannt).

  • Am 12.3.1956 im VEB Geologische Bohrungen Gommern (Mecklenburg)12 (Schaden: 150 000 DM).

  • Am 30.3.1956 in der Schiffswerft Fürstenberg, [Bezirk] Frankfurt/O., (Schaden: 5 000 DM).

  • In der Zeit vom 22.3. bis 24.3.1956 brachen im Bauobjekt Sago,13 [Kreis] Potsdam, drei Brände aus. Dabei wurden 300 qm Kiefern und 500 qm Unterholz vernichtet. Ursache: fahrlässige Brandstiftung und vermutliche Brandstiftung.

Versorgung der Bevölkerung

In der Berichtszeit ist in der Versorgung keine wesentliche Veränderung eingetreten. Die Schwierigkeiten bei HO-Fleisch und -Fleischwaren, HO-Butter und zum Teil bei HO-Margarine und -Nährmitteln bestehen weiterhin. So treten in der HO-Butterversorgung in den Bezirken Erfurt, Schwerin, Gera, Leipzig, Dresden, Karl-Marx-Stadt, Halle, Rostock und Cottbus weiterhin Schwierigkeiten auf. Dies führte bei Belieferung von Butter zu Schlangenbildungen, besonders in verschiedenen Kreisen der Bezirke Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Dresden und Gera. Dabei traten unter den Hausfrauen in den Käuferschlangen negative Diskussionen auf: So wurde von Hausfrauen aus Zeulenroda, [Bezirk] Gera, geäußert: »Wir können von früh bis abends arbeiten, aber ein Stück Butter bekommt man nicht zu kaufen und da soll man noch Interesse an etwas haben.« Oder: »Hier in der armen Ostzone wird das nie anders werden, nicht einmal die wichtigsten Genussmittel, wie Butter und Kaffee, sind hier zu haben.« Von Hausfrauen aus Zschopau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wird geäußert: »Die Belieferung mit HO-Butter ist zurzeit schlechter als vor zwei Jahren. Die Bildung von Schlangen ist ein schlechtes Zeichen für westdeutsche Besucher.«Diese oder gleichlautende Diskussionen wurden noch aus den Bezirken Dresden, Leipzig, Gera und Karl-Marx-Stadt bekannt.

In der HO-Fleischversorgung besteht ein Mangel in den Bezirken Dresden, Magdeburg, Halle, Karl-Marx-Stadt, Schwerin, Potsdam, Leipzig und Neubrandenburg. Ebenfalls kam es vor dem Osterfest in den Kreisen Hagenow, Perleberg und in der Stadt Schwerin zu Störungen in der Markenversorgung. Durch den Mangel an HO-Butter kann die verstärkte Nachfrage nach HO-Margarine nicht voll gedeckt werden. So wurden aus den Bezirken Gera, Halle und Potsdam Schwierigkeiten in der Bereitstellung bekannt. In der Nährmittelversorgung macht sich aufgrund der Kartoffeleinsparung ein erhöhter Bedarf bemerkbar. So bestehen in einigen Kreisen der Bezirke Dresden, Suhl und Karl-Marx-Stadt Schwierigkeiten in Haferflocken, Graupen, Grieß und Hülsenfrüchten. Durch die erhöhte Nachfrage nach diesen Nährmitteln wird aus verschiedenen Kreisen die Vermutung ausgesprochen, dass diese Lebensmittel für Futterzwecke verwendet werden. Von einem Teil von Industriearbeitern wird immer wieder in Betriebsversammlungen und Diskussionen die Forderung erhoben, dass es zu wenig Ersatzteile für Fahrräder und Fahrradketten gibt. Dabei treten besonders solche Arbeiter hervor, welche in den Landgemeinden wohnen und ihr Fahrrad für den Arbeitsweg benötigen. Besonders stark treten diese Forderungen hervor in dem VEB Zellwolle,14 dem Öl- und Nähmaschinenwerk Wittenberge, [Bezirk] Schwerin, und der Elbewerft Boizenburg, [Bezirk] Schwerin. Außerdem sind diese Diskussionen unter den Arbeitern in Borna, Torgau und Grimma, [Bezirk] Leipzig, im Bezirk Magdeburg und im Braunkohlenwerk Knappenrode, [Kreis] Kamenz, [Bezirk] Dresden,15 aufgetreten.

Besondere Vorkommnisse

Am 21.3.1956 brach im Lager der HO-Industriewaren in Triebes, [Kreis] Zeulenroda, [Bezirk] Gera, infolge Wärmeausstrahlung eines Ofens ein Brand aus, wobei ein Inventarschaden von ca. 10 000 DM entstand. Am 25.3.1956 brach in der Vertragswerkstatt des Konsumkreisverbandes Staßfurt, [Bezirk] Magdeburg, durch Fahrlässigkeit ein Brand aus. Gesamtschaden ca. 30 000 DM.

Die Lage in der Landwirtschaft

In der Landwirtschaft stehen weiterhin die ökonomischen Probleme im Vordergrund, vor allem solche, die in Verbindung mit der Vorbereitung und Durchführung der Frühjahrsbestellung stehen:

  • 1.

    Saatgutbereitstellung

  • 2.

    Arbeit der MTS

1. Saatgutbereitstellung

Es macht sich erforderlich, nochmals auf die Schwierigkeiten, welche in der Saatkartoffelbereitstellung bestehen, hinzuweisen. Trotz der Einsparungsmaßnahmen und Sammlung von Kartoffeln können die bestehenden Fehlmengen in den Bezirken nicht aufgebracht werden. Um einen kurzen Überblick über die noch bestehenden Fehlmengen aus einigen Bezirken zu erhalten, sind nachgenannte Angaben zu beachten. So fehlen in den Bezirken Schwerin 2 070 t, Leipzig 1 000 t, in den LPG des Bezirks Potsdam 1 100 t, Kreis Sömmerda, [Bezirk] Erfurt, 1 000 t, Kreis Annaberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, 250 t Saatkartoffeln.

Gleichzeitig wurde durch den strengen Frost ein großer Teil Saatkartoffeln, welcher eingemietet war, für die Saat unbrauchbar. So gingen in der LPG »Ernst Thälmann« in Neukirchen, [Kreis] Freiberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, 500 dz Saatkartoffeln durch Frosteinwirkung verloren. In der LPG Harpe, [Kreis] Seehausen, [Bezirk] Magdeburg, sind von den 1 200 dz eingemieteten Kartoffeln 50 % erfroren. In der LPG Rositz, [Kreis] Altenburg, sind 50 % und in der LPG Keinsdorf16 und Knobelsdorf, [Kreis] Döbeln, [Bezirk] Leipzig, sind 25 % der eingemieteten Saatkartoffeln erfroren. Diese Beispiele können noch vielfach erweitert werden.

Diese bestehenden Schwierigkeiten in der Saatkartoffelbereitstellung nimmt der Sender »RIAS« zum Anlass seiner Hetze, indem er darauf hinweist, dass die Ursachen dieses Mangels auf die »Kollektivierung« und auf das bestehende System zurückzuführen seien. Wörtlich heißt es dazu: »… das zeigt sich bereits an der Leistung der 6 000 in der Sowjetzone bestehenden Kolchosen, deren Erträge, wie im Übrigen auf den Bezirksdelegiertenkonferenzen der SED offen zugegeben wurde, weit unter denen der selbstständigen Bauern in der Sowjetzone liegen«. Weiter heißt es: »Wenn jetzt, nachdem Wissenschaft und Praxis sich völlig darüber im Klaren sind, wie die Dinge angefasst werden müssen, in der Kartoffelwirtschaft der Sowjetzone keine Besserung eintritt, so wird die Schuld bei den Stalinisten in der SED zu suchen sein, die nicht gewillt sind, der deutlich vorgebrachten Kritik an den bisherigen Zuständen stattzugeben.«

2. Arbeit der MTS

In der Durchführung der Frühjahrsbestellung wird immer wieder von einer Reihe von MTS-Stationen berichtet, dass ein Teil ihrer Fahrzeuge und Geräte nicht einsatzbereit ist, da es an Ersatzteilen fehlt. So sind in der MTS Ludwigsfelde, [Kreis] Zossen, [Bezirk] Potsdam, zzt. 19 Traktoren gleich 39 % des Gesamtbestandes einsatzbereit. Die MTS Wittstock, [Kreis] Prenzlau, [Bezirk] Neubrandenburg, hat erst 60 % aller landwirtschaftlichen Maschinen repariert. Von elf Traktoren sind erst drei einsatzbereit. Die MTS Leitwerkstatt Gardelegen, [Bezirk] Magdeburg, hat im Vertrag 133 Maschinen zu reparieren, davon sind bis jetzt jedoch erst 26 repariert worden. Ebenfalls ist ein Teil der Fahrzeuge der MTS-Stationen Glöwen, [Kreis] Perleberg, Thurow, [Kreis] Sternberg, Karow, [Kreis] Güstrow, Tessenow, [Kreis] Parchim, nicht einsatzfähig. Diese Beispiele sind vielfach vorhanden.

Durch den Ausfall dieser Geräte und Fahrzeuge tritt eine Verzögerung in der Frühjahrsbestellung ein und zum Teil sind die abgeschlossenen Verträge mit den LPG und den Arbeitsgemeinschaften gefährdet. Dies führt dazu, dass verschiedene LPG- und werktätige Bauern wenig Unterstützung erhielten. So waren z. B. die LPG-Bauern und werktätigen Bauern in Neu Schlagsdorf, [Bezirk] Schwerin, gezwungen, auf eine Fläche von 500 ha Kunstdünger mit der Hand auszustreuen.

Brände in der Zeit vom 22.3. bis 6.4.1956

In der Berichtszeit wurden insgesamt 20 Brände bekannt, davon einer vermutliche Brandstiftung, fünf durch Fahrlässigkeit, fünf durch Kinderhand, neun [Mal] Brandursache unbekannt. Der eine Fall vermutliche Brandstiftung ist noch nicht überprüft und wird nach Klärung im nächsten Bericht nachgereicht.

Bezirk Potsdam

  • zwei Stallscheunenbrände, LPG, Kleinbauer, Kinderhand;

  • zwei Strohmietenbrände, LPG, Kleinbauer, Kinderhand;

  • ein Strohmietenbrand, Großbauer, Fahrlässigkeit;

  • ein Stallbrand, Kleinbauer, Fahrlässigkeit;

  • zwei Strohmietenbrände, Großbauern, Brandursache unbekannt;

  • zwei Stallscheunenbrände, LPG, Kleinbauer, Brandursache unbekannt.

Bezirk Leipzig

  • ein Strohmietenbrand, VEG, vermutliche Brandstiftung;

  • ein Scheunenbrand, LPG, Brandursache unbekannt.

Bezirk Karl-Marx-Stadt

  • zwei Scheunenbrände, Mittelbauern, Brandursache unbekannt;

  • ein Stallscheunenbrand, Kleinbauer, Brandursache unbekannt.

Bezirk Erfurt

  • ein Scheunenbrand, LPG, Kinderhand.

Bezirk Magdeburg

  • ein Strohmietenbrand, VEG, Fahrlässigkeit.

Bezirk Rostock

  • ein Maschinenschuppenbrand, Mittelbauer, Fahrlässigkeit.

Bezirk Schwerin

  • ein Stallbrand, Mittelbauer, Fahrlässigkeit.

Bezirk Dresden

  • ein Stall- und Scheunenbrand, Kleinbauer, Brandursache unbekannt.

Ergänzungsmeldung zu dem Bericht vom 20.3.195617

Von den in der Berichtszeit vom 8.3. bis 21.3.1956 aufgeführten vermutlichen Brandstiftungen konnten bis jetzt noch keine Täter ermittelt werden.

Ereignisse von besonderer Bedeutung

Industrie

  • Im Plattenwerk Friedland, [Kreis] Neubrandenburg[-Land], wurde am 20.3.1956 bei mehreren Kammern das Papier, welches zum Abdichten der Thermometerlöcher angebracht war, entfernt. Durch das Eindringen von Kaltluft wurde der Brennprozess gestört und es trat Qualitätsminderung ein. Der Schaden kann erst später festgestellt werden. Am 27.3.1956 wurde im gleichen Betrieb festgestellt, dass in der Masse zum Pressen der Platten Fremdkörper vorhanden waren. Durch rechtzeitiges Erkennen wurde größerer Schaden verhindert.

  • In der BHG Großhennersdorf, [Kreis] Löbau, wurden unter dem Dünger, welcher in zugenähten Papiersäcken vom Lieferbetrieb VEB Kaliwerk »Einheit« Dorndorf, [Bezirk] Suhl, geliefert wurde, Drahtstücke von 3 bis 15 cm Länge gefunden.

  • Am 20.3.1956 wurde beim Auswechseln zweier neuer Schalter durch einen Elektromonteur des Objektes 177 Aue/Wismut festgestellt, dass im Gehäuse der Schalter sechs Eisengewindeschrauben 30 × 8 mm enthalten waren. Ein Nichtbemerken hätte unweigerlich eine Havarie im Energienetz ausgelöst. Die Schalter wurden vom Sachsenwerk Dresden geliefert.

  • Am 19.3.1956 wurde im Werk 536 Zwickau/Wismut in den Planscheibenantrieb einer Niles-Drehbank von unbekannten Tätern eine alte Zündkerze geworfen. Durch den Umstand, dass die Zündkerze nur seitlich vom Antriebsritzel erfasst wurde, konnte ein Ausfall der Maschine verhindert werden.

  • Durch die Abteilung Feuerwehr Dresden wurde bekannt, dass verschiedene Alkali-Patronen für die 1-Stunden-Sauerstoffgeräte, hergestellt vom VEB Metallbau Döbeln, durch Einschlagen von Löchern unbrauchbar gemacht wurden. Diese Löcher befinden sich an der unteren Seite der Patrone und sind mit einem ca. 2 mm großen, viereckigen Gegenstand eingeschlagen worden, mit Spachtel überzogen und durch Überspritzen mit Farbe nach außen hin unkenntlich gemacht worden. Der Betrieb ist Alleinhersteller und beliefert in der DDR die gesamte Feuerwehr, den Bergbau und sonstige mit Sauerstoffgeräten arbeitende Betriebe. Die Benutzung solcher unbrauchbarer Geräte hat den Tod des Trägers zur Folge.

  • Am 19.3.1956 wurde im VEB Buntweberei »Clara Zetkin« Langensalza, [Bezirk] Erfurt, festgestellt, dass am Webstuhl 181 mit einem Messer die Kette zerbrochen und ca. 70 Fäden zerschnitten wurden. Der Webstuhl wird von einer Arbeiterin bedient, die Neuerermethoden anwendet.18

  • In der Nacht vom 24.3. zum 25.3.1956 wurde im Seehafen Warnemünde an zwei Waggons festgestellt, dass der Deckel der Schmierbuchsen fehlte und die Buchsen voll Sand geschüttet waren.

  • Am 19.3.1956 wurde in der Neptun-Werft festgestellt, dass im Treibölbunker des Objektes »Kastor« das vordere und hintere Querschott sowie das Seitenlängsschott und die Decke um 50 bis 80 mm nach außen durchgebogen, die Profile in ihren Endverschweißungen gerissen und ebenfalls verbogen waren. Die Täter sind unbekannt. Der Tank war bereits durch den sowjetischen Abnahmebeauftragten abgenommen.

  • Am 28.3.1956 wurde bekannt, dass in der VdgB (BHG) Karstädt, [Kreis] Perleberg, [Bezirk] Schwerin, und bei einigen Bauern des Kreises beim Umschütten und Verfüttern von Rindermischfutter darin Metallteile festgestellt wurden. In einem Falle musste bei einem Mittelbauern eine Kuh notgeschlachtet werden, wobei bei der Untersuchung des Magens derartige Metallteile vorgefunden wurden. Das Rindermischfutter wird im VEB Öl- und Fettwerke »Hans Schellheimer« in Magdeburg hergestellt. Auch in einer BHG des Bezirkes Karl-Marx-Stadt, die das Futter vom selben Werk bezog, wurden Metallteile gefunden.

  • Im VEB Chemische Werke Buna, [Kreis] Merseburg, [Bezirk] Halle, wurde im Bau 909 eine Protestresolution zum Verbot der DSF in Westdeutschland verfasst.19 Von 15 Mitgliedern der DSF gaben nur fünf ihre Zustimmung. Weiter haben im VEB Chemische Werke Buna viele Arbeiter ihre Austrittserklärungen aus der DSF abgegeben.

  • Durch einen in Mittweida, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wohnhaften privaten Strickwarenfabrikanten wurde aus Garnen, welche im VEB Weberei Werk II und im VEB Zwirnerei Mittweida durch dort beschäftigte Personen entwendet wurden, Strickwaren hergestellt. Diese Strickwaren wurden im Kreis Grevesmühlen, [Bezirk] Rostock, durch drei weibliche Personen verkauft. Der Gesamtschaden beläuft sich auf 30 000 DM. Zehn Personen wurden bereits verhaftet.

  • Zu Vergiftungserscheinungen infolge eingenommenen Betriebsessens kam es am 24.3.1956 im VEB Stahlgießerei Borna/Karl-Marx-Stadt,20 wo 60 Personen erkrankten, und am 27.3.1956 im VEB Schuhfabrik Lößnitz,21 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wo 50 Personen erkrankten. Zu Arbeitsausfällen kam es in beiden Betrieben nicht.

  • Im VEB Zellwolle Wittenberge,22 [Bezirk] Schwerin, ereignete sich am 29.3.1956 im Mischraum infolge eines Materialfehlers am Rührwerk eine Explosion. Der Schaden beträgt 2 500 DM. Personen wurden nicht verletzt.

  • Im VEB Flachglaswerk Uhsmannsdorf, [Bezirk] Dresden, sind in der letzten Zeit häufig Störungen in der Produktion aufgetreten. In der Schicht 4 der Wanne C musste am 22., 23. und 24.3.1956 festgestellt werden, dass Nägel, ca. 40 mm, im Glas waren. Die Nägel traten an der Ziehmaschine 8 und 9 aus, sodass durch diese Nägel Maschinenstürze zu verzeichnen waren, die Produktionsausfall zur Folge hatten. Die gleiche Tatsache wurde am 31.3. sowie 1. und 2.4.1956 festgestellt.

Anlage vom 6. April 1956 zum Informationsdienst Nr. 7

Übersicht über bekannt gewordene Feindtätigkeit in der Zeit vom 22.3. bis 5.4.1956

Antidemokratische Tätigkeit wurde in der Berichtszeit im verstärkten Maße durchgeführt.

In folgenden Orten wurden Hetzlosungen gegen unsere Partei, Regierung und gegen die Jugendweihe23 angeschmiert: Herschdorf, [Kreis] Ilmenau, [Bezirk] Suhl; Karl-Marx-Stadt-Hilbersdorf; Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt; Falkenstein, [Kreis] Auerbach; Freiberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt; Gebesee, [Kreis] Erfurt[-Land]; Sonneberg, [Bezirk] Suhl; Neustadt [an der Orla], [Kreis] Pößneck, [Bezirk] Gera; Unterwellenborn, [Bezirk] Gera; Cösitz, [Kreis] Köthen, und Artern, [Bezirk] Halle.

In Birkenfelde, Kreis Heiligenstadt, wurde folgende Losung an die Milchrampe geschmiert: »Heute Abend von 18.00 bis 19.00 Uhr treten alle Arbeiter den Generalstreik an. Rat des Kreises Heiligenstadt Dr. m.s.w.«

Hakenkreuze wurden in: Coswig, [Kreis] Meißen; Saalfeld, [Bezirk] Gera; Leipzig; Sonneberg, [Bezirk] Suhl; Bergfelde,24 [Kreis] Oranienburg, [Bezirk] Potsdam, angeschmiert und in Völpke, [Kreis] Oschersleben, [Bezirk] Magdeburg, wurde ein Hakenkreuz (30 cm) aus Blech gefunden.

Bilder, Fahnen und Plakate wurden in Quedlinburg [und] Klötze, [Bezirk] Magdeburg; Schwerin, [Kreis] Königs Wusterhausen, und Bestensee, [Bezirk] Potsdam; Frohburg, [Kreis] Geithain, [Bezirk] Leipzig; Anklam, [Bezirk] Neubrandenburg; bei der 5. Kompanie der Trapo in Aschersleben; [in] Oberwiesenthal, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt; Burgstädt, [Kreis] Karl-Marx-Stadt[-Land]; Meißen und Taubenheim sowie Schullwitz, [Kreis] Dresden[-Land]; Gera; Calvörde,25 [Kreis] Haldensleben, [Bezirk] Magdeburg, abgerissen, beschädigt oder beschmiert.

Straßensperren

Am 28.3.1956, gegen 1.25 Uhr, wurde in Klotzsche, [Ortsteil von] Dresden, von unbekannten Tätern eine Straßensperre angelegt. Es wurden zwei Baumstämme von ca. 6 m Länge auf die Schienen der Straßenbahn gelegt. Am 26.3.1956, gegen 1.30 Uhr, wurden am Ortseingang der Gemeinde Sukow, [Kreis] Schwerin[-Land], in Fahrtrichtung Crivitz zwei Straßensperren festgestellt. Diese wurden mit Ackerwagen und Gartentüren errichtet.

Am 26.3.1956 wurde in der Gemeinde Ebnath, [Kreis] Oelsnitz, bei einem VP-Angehörigen das Schlafzimmerfenster durch eine männliche Person mit dem Ausspruch: »Ihr roten Lumpen« eingeschlagen. (Täter konnte unerkannt entkommen.)

Gerüchte

In Friedrichroda,26 [Kreis] Gotha, wurde von dem parteilosen Arbeiter [Name 2] in einem Geschäft erklärt, dass zu Ostern eine Geldentwertung erfolgt und ab 3.4.1956 alles vorhandene Geld verfällt. Das löste unter dem größten Teil der Bevölkerung eine Beunruhigung aus und viele Einwohner haben am 31.3.1956 ihr Geld zur Bank gebracht.

Seit ca. vier Wochen wird von der Westpresse und vom Westfunk über die Hinrichtung der Spionin und ehemaligen Sekretärin des Ministerpräsidenten Barczatis27 gehetzt. Seit dem gleichen Zeitpunkt ist auch festzustellen, dass in allen Bezirken der DDR über diese Meldungen gesprochen wird und in diesem Zusammenhang die verschiedenartigsten Gerüchte auftauchen wie: »Otto Grotewohl ist deshalb zurückgetreten, die Sekretärin Walter Ulbrichts wurde verhaftet, Walter Ulbricht ist zurückgetreten.«

Vermutliche Feindtätigkeit

Im Spiegelteich in Zabeltitz, [Kreis] Großenhain, [Bezirk] Dresden, verendeten die von der Fischereigenossenschaft Großenhain ca. 2 000 eingesetzten Karpfen. Ursache konnte noch nicht festgestellt werden. Am 29.3.1956 wurde durch den 11-jährigen Sohn des Kirchendieners [Name 3] in der evangelischen Kirche Schloßvippach, [Kreis] Erfurt[-Land], eine Pistole »Walther PPK«28 Kaliber 7,65 mit 2 Magazinen und 39 Schuss Munition in der Abstellkammer hinter dem Altar gefunden. Die Waffe und Munition befinden sich in einem einwandfreien Zustand.

Feindtätigkeit in der Industrie

Die Feindtätigkeit in der Industrie kam wiederum in faschistischen Schmierereien, Anbringen von Hetzlosungen sowie in der Beschädigung von Bildern und Büsten fortschrittlicher Personen zum Ausdruck. Diese Erscheinungen wurden bekannt aus folgenden VE-Betrieben:

  • Eisenhüttenwerk Thale, [Bezirk] Halle;

  • Deutsche Solvay-Werke Osternienburg, [Bezirk] Halle;

  • Kombinat »Otto Grotewohl« Bau 49 Böhlen, [Bezirk] Leipzig;

  • Kraftwerk I Espenhain, [Bezirk] Leipzig;

  • ECW Eilenburg, [Bezirk] Leipzig;

  • Waggonbau Bautzen, [Bezirk] Dresden;

  • Grubenlampe Zwickau,29 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt;

  • Martin-Hoop-Werk 4 Zwickau;

  • Kaliwerk »Glückauf« Sondershausen, [Bezirk] Erfurt;

  • Porzellanwerk Neuhaus-Schierschnitz, [Bezirk] Suhl;

  • VEB Kraftwerk Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt;

  • Leuna-Werke »Walter Ulbricht«.

Gerüchte

  • Im Stahlwerk Riesa verbreitet ein parteiloser Arbeiter das Gerücht, in Georgien seien aufgrund des XX. Parteitages Unruhen ausgebrochen. Das gleiche Gerücht kursiert im VEB Tabak- und Industriemaschinen Dresden.

  • Im Sprengstoffwerk Gnaschwitz, [Kreis] Bautzen, [Bezirk] Dresden, wird das Gerücht über den Tod der Sekretärin des Genossen Otto Grotewohl verbreitet.

  • Im VEB Glaswerk Freital kursiert das Gerücht, dass der Moskauer Rundfunk gebracht habe, [dass] die Genossen Molotow,30 Chruschtschow und Bulganin31 als Todeskandidaten mit aufgestellt wären, als Genosse Stalin sowjetische Offiziere und Soldaten habe erschießen lassen. Sie hätten sich jedoch noch rausreden können und wären dadurch davon gekommen.

  • Im VEB Fortschrittwerk II in Singwitz,32 [Kreis] Bautzen, wird davon gesprochen, dass der Genosse Malenkow33 um politisches Asyl in England ersucht habe. Des Weiteren einige Mitglieder seiner Delegation.

  • Im Textilwerk Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt/O., kursiert das Gerücht, das Lenin-Stalin-Mausoleum sei gesperrt, die Straßen werden umbenannt und die Bilder von Genossen Stalin müssten abgenommen werden.

Feindtätigkeit in der Landwirtschaft

Am 18.3.1956 wurde im VEG Breesen, [Kreis] Altentreptow, [Bezirk] Neubrandenburg, von dem Melkermeister festgestellt, dass ein tragendes Rind im Alter von zwei Jahren Messerstiche im Bauch und zwischen den Rippen hatte. Die Stiche [verletzten] die inneren Organe, sodass es notgeschlachtet werden musste. Bei dem Täter handelt es sich um den 38-jährigen parteilosen Viehpfleger dieses VEG, welcher festgenommen wurde. Zzt. befindet sich der Täter zur Untersuchung in Greifswald auf Paragraph 51.34

Eine ähnliche Erscheinung trat in der LPG Birkholz, [Kreis] Bernau, [Bezirk] Frankfurt/O. auf. So wurden bei zwei Milchkühen am 24.3.1956 die Strichen35 eingeschnitten. Bei einer Kuh wurden die Strichen vom Euter bis zur Strichenspitze vermutlich mit einem Messer oder einer Rasierklinge eingeschnitten. Bei der anderen Kuh wurden ähnliche Schnitte festgestellt. Der Täter ist noch unbekannt.

  1. Zum nächsten Dokument Stimmung zu Lohnfragen (2)

    9. April 1956
    Stimmung zu Lohnfragen [2. Bericht] [Information Nr. M82/56]

  2. Zum vorherigen Dokument Stimmung zur III. Parteikonferenz der SED (10)

    6. April 1956
    III. Parteikonferenz der SED (10. Bericht) [Information Nr. M81/56]