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Verlauf des 2. Passierscheinabkommens (20)

2. November 1964
20. Bericht Nr. 975/64 über den Verlauf des 2. Passierscheinabkommens

Am 31.10.1964 war aufgrund der ausgegebenen Passierscheine1 die Einreise von 93 410 Personen zu erwarten. Eingereist sind insgesamt 88 717 Personen (95 %) mit 7 612 Pkw, davon über die KPP

  • Bahnhof Friedrichstraße: 44 991 Personen,

  • Oberbaumbrücke: 11 614 Personen,

  • Sonnenallee: 14 527 Personen,

  • Chausseestraße: 9 310 Personen,

  • Invalidenstraße: 8 275 Personen.

Außer den genannten Personen reisten mit Passierschein für dringende Fälle 40 Westberliner Bürger ein.

Am 1.11.1964 reisten von den zu erwartenden 98 766 Westberliner Bürgern 95 471 Personen (gleich 96,6 %) mit 7 302 Kfz ein, und zwar über die KPP

  • Bahnhof Friedrichstraße: 50 847 Personen,

  • Chausseestraße: 8 829 Personen,

  • Invalidenstraße: 8 285 Personen,

  • Oberbaumbrücke: 12 754 Personen,

  • Sonnenallee: 14 756 Personen.

Drei Westberliner Bürger reisten mit Passierschein für dringende Familienangelegenheiten ein.

Außerdem reisten an der Staatsgrenze Berlin am 31.10.1964 insgesamt 11 908 und am 1.11.1964 insgesamt 11 028 Personen aus Westdeutschland und aus nichtsozialistischen Ländern ein.

Für Montag, den 2.11.1964 sind lt. ausgegebenen Passierscheinen 24 924 Westberliner Bürger in der Hauptstadt der DDR zu erwarten und am Dienstag, 3.11.1964 16 756.2

Die Ein- und Ausreise der Westberliner über die KPP verlief sowohl am 31.10. als auch am 1.11.1964 im Allgemeinen reibungslos und ohne besondere Vorkommnisse.3

Viele Bürger äußerten sich lobend über die zügige und zuvorkommende Abfertigung und über das korrekte und hilfsbereite Verhalten der Kontrollkräfte. Zu geringfügigen Wartezeiten bei der Abfertigung der Westberliner kam es am 31.10. und am 1.11.1964 in der Zeit von 9.00 bis 11.00 Uhr am KPP Invalidenstraße und am 31.10. auch am KPP Sonnenallee. Die in dieser Zeit aufgetretenen zeitweiligen Stockungen wurden neben der außerordentlich starken Konzentrierung der Einreise auf diesen Zeitraum auch dadurch hervorgerufen, dass die Westberliner teilweise keine Zollerklärungen mitführten bzw. sich entsprechende Veränderungen an den Dokumenten notwendig machten. Durch zusätzlichen Kräfteeinsatz wurden die zeitweiligen Schwierigkeiten beseitigt.

Der Schwerpunkt der Einreise lag an beiden Tagen in der Zeit zwischen 7.00 und 11.00 Uhr (ca. 70 % der Einreisenden am 31.10. und 84 % am 1.11.1964), der Ausreise zwischen 22.00 und 1.00 Uhr (ca. 70 % der Ausreisenden am 31.10. und 82 % am 1.11.1964).

Am 31.10. kamen am KPP Invalidenstraße 43 Personen zur Ausreise, die über einen anderen KPP eingereist waren. Diese Personen wurden an den Einreise-KPP verwiesen. Nur in Ausnahmefällen wurde die Ausreise über den KPP Invalidenstraße gestattet und der zuständige KPP verständigt.

An beiden Tagen wurde festgestellt, dass eine beträchtliche Anzahl von Personen die Aufenthaltsdauer bis 24.00 Uhr überschritt, wobei in den meisten Fällen Familienfeierlichkeiten und übermäßiger Alkoholgenuss als Ursachen angeführt wurden.

Am 31.10. in der Zeit von 19.00 bis 19.30 Uhr wurden auf westlicher Seite des KPP Chausseestraße durch Westzöllner Befragungen von zurückgereisten Westberliner Bürgern durchgeführt. Näheres über den Inhalt der Befragungen wurde nicht bekannt.

Presse- und Bildreporter traten nur vereinzelt auf (KPP Oberbaumbrücke und Nähe KPP Friedrichstraße (Humboldt-Hafen)).

Bei der Einreise wurden wiederum hauptsächlich Südfrüchte, Genussmittel und andere Lebensmittel sowie gebrauchte und neue Textilien eingeführt. Die Mengen lagen innerhalb der zulässigen Höchstgrenze. Ausgeführt wurden als Geschenke vorwiegend Blumen, Spielsachen, Obst, Textilien und Hausschuhe. In der Einreise erfolgten am 31.10. und 1.11.1964 insgesamt vier Beschlagnahmen, u. a. 1 × 360 Zigaretten und 42 Dosen Milch und Fleisch, 1 × 250 Zigaretten.

In der Ausreise wurden ebenfalls vier Beschlagnahmen durchgeführt, u. a. 1 × 50,00 MDN, 1 × 15,00 MDN und in einem Fall neue Textilien im Werte von 150 MDN.

Insgesamt erfolgten in der Einreise 162 Rückweisungen. Dabei handelte es sich vor allem um gebrauchte Textilien ohne Desinfektionsbescheinigungen, Dias und Briefmarken. In der Ausreise wurden 69 Rückweisungen verfügt, wobei es sich vorwiegend um die versuchte Ausfuhr von Textilien entgegen der Geschenkverordnung handelte.

Weiter wurden am 1.11. insgesamt 390 formlose Einziehungen von Zeitungen und Schundliteratur vorgenommen.

Bis auf zwei Ausnahmen kam es bei der Zollkontrolle, den Beschlagnahmungen und Rückweisungen zu keinen negativen Diskussionen oder Provokationen. Der überwiegende Teil der Westberliner Bürger äußerte sich anerkennend über die schnelle Abfertigung.

Am 31.10. und 1.11.1964 kam es verstärkt zu Treffen von Westberlinern mit Bürgern aus den Bezirken der DDR. Allein der Pkw-Verkehr aus den Bezirken nach Berlin hatte sich auf das ca. drei- bis vierfache verstärkt. An der Staatsgrenze kam es zu größeren Fahrzeugansammlungen, als Westberliner Besucher auf Bürger aus den Bezirken der DDR warteten.

Am 31.10., 7.00 Uhr, kam es auch am KPP Oberbaumbrücke zu einer Ansammlung von ca. 500 Personen, die ihre Westberliner Verwandten erwarteten. Besondere Vorkommnisse oder Behinderung des Verkehrs traten dadurch nicht ein.

Von einem großen Teil unserer Bürger wird beabsichtigt, Urlaub zu nehmen bzw. einen Tag vorzuarbeiten, um Zeit für den Besuch ihrer Westverwandten zu haben. Von Frauen wurden vorwiegend die monatlichen Haushalttage4 genommen. Weiter wird versucht, Kinder an diesen Tagen vom Schulbesuch zurückzuhalten. Allein in der 7. Oberschule Berlin-Mitte fehlten am 30.10. 24 Schüler, weil die Familien Westbesucher erwarteten. Am 31.10. blieben 54 Schüler aus dem gleichen Grunde dem Unterricht fern.

Unter den Besuchern des Grenzgebietes und der Randgebiete Berlins gibt es weiterhin dahingehend Diskussionen, diese Gebiete in das Passierscheinabkommen mit einzubeziehen, damit auch diese Bürger ihre Verwandten aus Westberlin empfangen könnten. Außerdem wurde mehrfach festgestellt, dass Zusammenkünfte Westberliner Bürger mit DDR-Bürgern, u. a. auch mit Bewohnern des Grenzgebietes, in kircheneigenen Räumen oder in Wohnungen von aktiven Kirchenanhängern, die diese zur Verfügung stellten, durchgeführt wurden. In einem Fall wurde diese Zusammenkunft mit einer »Kaffeetafel« (Baptistenkirche) verbunden. In einem anderen Falle wurde festgestellt, dass eine Gruppe Westberliner Jugendlicher im Auftrage Westberliner kirchlicher Stellen an einem Gottesdienst im demokratischen Berlin teilnehmen und dort Kaffee, Schokolade und Zigaretten, die sie mit sich führten, verteilen wollten.

An den KPP zu den Bezirken der DDR (Ostring) erfolgten am 31.10. und 1.11.1964 insgesamt 23 Zurückweisungen von Westberliner Bürgern, die versuchten, unberechtigt in die Bezirke der DDR einzureisen. Im Einzelnen gab es folgende Zurückweisungen:

  • Oranienburg: sieben Personen,

  • Bernau: vier Personen,

  • Fürstenwalde: sechs Personen,

  • Königs Wusterhausen: vier Personen,

  • Strausberg: zwei Personen.

Außerdem wurden zwei Westberliner Bürger im Bezirk Frankfurt/O. angetroffen und nach Überprüfung nach Westberlin zurückgewiesen.

Unberechtigte Einreisen von Westberliner Bürgern in das Grenzgebiet innerhalb der Hauptstadt wurden nicht festgestellt.

In der Zeit vom 30.10. bis 1.11.1964 wurden sechs Westberliner und sieben Bürger der DDR wegen versuchter Schleusung, versuchten illegalen Verlassens bzw. Beihilfe festgenommen. Als hauptsächlichste Methoden wurden festgestellt:

  • Ausnutzung des starken Reiseverkehrs an den KPP – sechs Personen,

  • mit gefälschten Passierscheinen – zwei Personen,

  • mit westdeutschem Pass – eine Person,

  • wegen Beihilfe zum Verlassen der DDR – eine Person,

  • wegen versuchtem Grenzdurchbruch – drei Personen.

Am 1.11. kam es auf dem Fürstenwalder Damm wegen Nichtbeachtung der Vorfahrt durch einen Westberliner Bürger zu einem Verkehrsunfall, bei dem ein DDR-Bürger leicht verletzt wurde.

Geldumtausch

Von den am 31.10.1964 insgesamt eingereisten 88 717 Westberliner Bürgern machten 29 754 (33,5 % vom Mindestumtausch5 Gebrauch und tauschten 89 005 DM/West ein. Am 1.11.1964 tauschten 29 449 (30,8 %) von den insgesamt eingereisten 95 474 Westberliner Bürgern 88 232 DM/West um, sodass in den ersten drei Besuchstagen 206 615 DM/West von 68 996 Westberliner Bürgern getauscht wurden.

Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass sich unter den Westberliner Besuchern eine beträchtliche Anzahl solcher Personen befanden, die für den Mindestumtausch nicht vorgesehen ist (Rentner, Kinder).

Der Umtausch verlief reibungslos. Durch entsprechende organisatorische und Aufklärungsmaßnahmen wurde erreicht, dass die Mehrzahl der am 1.11.1964 einreisenden Westberliner schon das Wechselgeld bereithielt und z. B. am KPP Bahnhof Friedrichstraße in der Zeit zwischen 7.00 und 10.30 Uhr, dem Schwerpunkt der Einreise, 60–70 % der Westberliner Bürger für den Mindestumtausch gewonnen wurden.

Nach wie vor weigerte sich aber noch ein Teil, besonders Pkw-Besitzer, die oft gleichzeitig durch negative Äußerungen und unhöfliches Verhalten gegenüber den Finanzkontrolleuren auftraten, einen Mindestumtausch vorzunehmen. Insgesamt hat sich an den Argumenten, die für eine Ablehnung des Mindestumtausches vorgebracht werden, nichts Wesentliches geändert. Erstmalig wurde jedoch am 1.11.1964, gegen 8.30 Uhr, festgestellt, dass auf Westberliner Seite gegenüber verschiedenen KPP (Chausseestraße, Invalidenstraße) Lautsprecherwagen z. B. der Westpolizei und des »SFB« eingesetzt wurden, die »Verhaltensmaßregeln« zum Geldumtausch gaben. Unter anderem wurden die Westberliner aufgefordert, die Finanzkontrolleure zu fragen, ob der Umtausch Zwang sei und ob Restbeträge im Mindestumtausch zurückgetauscht werden können. Bei einer Verneinung dieser Fragen sollten die Westberliner Bürger auf einen Umtausch verzichten. Bei der Einreise konnte dann auch festgestellt werden, dass ein Teil der Westberliner diese Fragen stellte und einen Umtausch ablehnte. Außerdem äußerten einzelne Westberliner Bürger, die mehr als den Mindestumtausch vorgenommen hatten, ihren Unwillen darüber, dass kein Rücktausch erfolgte, ohne dass es jedoch zu besonderen Zwischenfällen kam.

  1. Zum nächsten Dokument Ursachen des Eisenbahnunfalles Langhagen (1)

    2. November 1964
    Einzelinformation Nr. 977a/64 über den Eisenbahnunfall auf der Strecke Berlin – Rostock, Ausfahrt Bahnhof Langhagen, [Kreis] Güstrow, [Bezirk] Schwerin, am 1. November 1964 [1. Fassung]

  2. Zum vorherigen Dokument Unterstützungsmaßnahmen für Rentner im Westen

    2. November 1964
    Einzelinformation Nr. 960/64 über die in Westdeutschland und Westberlin vorbereiteten sogenannten Unterstützungsmaßnahmen für die im Rentenalter stehenden Besucher aus der DDR