Verlauf des 2. Passierscheinabkommens (19)
31. Oktober 1964
19. Bericht Nr. 971/64 über den Verlauf des 2. Passierscheinabkommens
Am 30.10.1964 war aufgrund der ausgegebenen Passierscheine1 die Einreise von 23 552 Personen zu erwarten.
Eingereist sind 21 185 Personen (90 % der erwarteten Besucher) mit 1 939 Kfz. Davon entfallen auf die einzelnen KPP
- –
Bahnhof Friedrichstraße: 11 927 Personen,
- –
Chausseestraße: 2 263 Personen,
- –
Invalidenstraße: 1 392 Personen,
- –
Oberbaumbrücke: 2 440 Personen,
- –
Sonnenallee: 3 163 Personen.
Außerdem reisten mit für dringende Fälle ausgestellten Passierscheinen 39 Personen in die Hauptstadt der DDR ein. (Entsprechend der ausgegebenen Passierscheine ist für den 31.10. mit der Einreise von insgesamt 93 410 und für den 1.11. mit der Einreise von insgesamt 98 766 Personen zu rechnen.)
Der Schwerpunkt der Einreise lag in der Zeit zwischen 7.00 und 11.00 Uhr, der Ausreise zwischen 21.00 und 24.00 Uhr.
Die Abfertigung der ein- und ausreisenden Westberliner erfolgte reibungslos und ohne Wartezeiten. Besondere, über die getroffenen Vorbereitungen hinausgehende Maßnahmen zur Sicherung einer reibungslosen Abfertigung und zur Gewährleistung der Kontrollen waren demzufolge nicht erforderlich.
Neben den Westberliner Bürgern reisten im Laufe des 30.10. über die KPP an der Staatsgrenze in Berlin außerdem 5 834 Personen aus Westdeutschland und aus dem nichtsozialistischen Ausland in die Hauptstadt der DDR ein. Die Abwicklung ihrer Einreise erfolgte ebenfalls reibungslos und ohne besondere Vorkommnisse.
Feindliche Handlungen wurden an den KPP nicht festgestellt. Die eingereisten Westberliner haben vielfach ihre Befriedigung über die reibungslose Abwicklung beim Grenzübertritt und über die gut organisierte Abfertigung an den KPP zum Ausdruck gebracht.
Verschiedentlich äußerten sich Westberliner Bürger, dass sie durch die Westberliner Polizei unhöflich behandelt worden seien und die Polizei außerdem ihre Einreise zu verzögern versucht habe.
Am ersten Besuchstag waren auf Westberliner Seite an den KPP Oberbaumbrücke, Invalidenstraße und Sonnenallee – besonders in den Morgen- und Vormittagsstunden – zahlreiche Filmreporter, Kameraleute des Westfernsehens und Vertreter der Westpresse erschienen. Die Vertreter des Westfernsehens und die Filmreporter filmten insbesondere den Grenzübertritt der Westberliner und teilweise – soweit ihnen das möglich war – den Kontrollablauf. Der Grenzübertritt der Westberliner und die Abwicklung an den KPP wurden dadurch jedoch nicht beeinträchtigt. Ein schwedischer Journalist forderte von den Grenzsicherungskräften der DDR Auskunft über den Ablauf der Kontrollmaßnahmen, wurde jedoch abgewiesen.
Bis auf ganz wenige Ausnahmen verhielten sich die eingereisten Westberliner bei den Kontrollen diszipliniert. Sie führten bei ihrer Einreise als Geschenke hauptsächlich Südfrüchte, Kaffee, Schokolade, Zigaretten und gebrauchte Textilien und bei ihrer Ausreise überwiegend Blumen, Spielwaren und in geringem Umfang Textilien mit. Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen wurden nicht festgestellt. Lediglich in einem Fall erfolgte eine Beschlagnahme von 20,00 MDN, die in Westberlin eingewechselt und bei der Einreise angegeben worden waren. Besondere Vorkommnisse gab es bei der Zollkontrolle nicht. Auch hier äußerte sich ein großer Teil der eingereisten Westberliner befriedigt über die schnelle und reibungslose Zollabfertigung.
Von dem am 30.10.1964 in die Hauptstadt der DDR eingereisten 21 224 Westberliner Bürgern (einschließlich der Personen, für die ein Mindestumtausch2 nicht vorgesehen ist, wie Rentner, Kinder usw.) machten 9 793 (46 %) vom Mindestumtausch Gebrauch. Es wurden insgesamt 29 378 DM/West umgetauscht.
Die Durchführung des Mindestumtausches verlief an allen KPP ohne besondere Vorkommnisse. Eine größere Anzahl Westberliner hielten bei der Einreise 3,00 DM/West bereit und tauschte diesen Betrag ohne besondere Aufforderung. Zu dem Personenkreis, der den Mindestumtausch ablehnte, gehörten insbesondere Kraftfahrzeugbesitzer und Jugendliche. »Argumente« für die Ablehnung waren im Wesentlichen, dass sie zum Mindestumtausch nicht verpflichtet seien und für den Aufenthalt bei ihren Verwandten kein Geld benötigen würden.
Zum Verhalten der Westberliner in der Hauptstadt der DDR wurden bis jetzt keine negativen Vorkommnisse bekannt. Eine ältere Westberliner Bürgerin war in den Kreis Fürstenwalde eingereist. Sie wurde nach einer kurzen Vernehmung nach Westberlin entlassen. Sechs Westberliner, die in die Kreise Strausberg (4) und Fürstenwalde (2) einzureisen versuchten, wurden an der Berliner Stadtgrenze zurückgewiesen.
In einer Reihe von Fällen wurden von im Grenzgebiet wohnenden Bürgern der Hauptstadt der DDR negative Diskussionen geführt. Sie brachten ihre Unzufriedenheit darüber zum Ausdruck, dass sie ihre Westberliner Verwandten nicht in ihren Wohnungen empfangen können. Teilweise wurden in den negativen Diskussionen die alten Behauptungen von der »Benachteiligung der Grenzbevölkerung« erneut vorgebracht.
Verschiedentlich haben Bürger der Hauptstadt der DDR aufgrund des an Wochentagen zu erwartenden Besuches ihrer Westberliner Verwandten um Arbeitsbefreiung ersucht.